Chirurgie zum Mitmachen

Übungsstunde für Medizinstudenten mit Nadel und Faden

Die Mindener Medizinstudentinnen (von links) Julia Serwas und Gesine Sölter beim gegenseitigen Schallen am Sonographiegerät

Der Raum im  Medizin Campus OWL am Johannes Wesling Klinikum in Minden ist abgedunkelt, um den Monitor des Sonographiegeräts besser erkennen zu können. Für den Laien bewegt sich auf dem Schirm nur eine undefinierbare Masse, dazu noch in Schwarzweiß. Julia Serwas dagegen, 24-jährige Medizinstudentin im bald achten Semester am Medizin Campus OWL in Minden, findet sich in dem Wirrwarr schon gut zurecht. "Hier an der Seite ist die Niere gut zu erkennen", sagt Serwas und lächelt kurz zu ihrer Kommilitonin Gesine Sölter (25), die sich neben ihr auf einer Behandlungsliege ausstreckt und die Patientin spielt. "Und hier vorne kann man die Leber gut erkennen. Du bist wirklich sehr gut zu schallen", sagt Serwas zu ihrer Kommilitonin. Ein Kompliment, welches man wohl nur von einem Mediziner hört.  Professor Dr. Berthold Gerdes, Direktor der  Klinik für Allgemeinchirurgie am Johannes Wesling Klinikum Minden, beobachtet die gespielte Untersuchungsszene aus einiger Entfernung. Er ist sichtlich zufrieden: "Herzlichen Glückwunsch: Alles wie es sein sollte", sagt er und meint damit sowohl den Gesundheitszustand der gespielten Patientin als auch den Ablauf der  Untersuchung.

Studierende des Medizin Campus OWL aber auch Studierende aus anderen Universitäten  haben sich  für den ganztägigen Workshop "Nur Mut! Chirurgie zum Mitmachen" des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen  angemeldet.  Chirurgen, Urologen und Anästhesisten aus Minden, Bad Oeynhausen und Lübbecke haben sich gemeinsam Zeit für die Studierenden genommen. Vom Nähen und Knoten, über die Reanimation, Sonographie, Chirurgie unterm Mikroskop, Legen von Urinkathetern bis hin zum Einbringen von Thoraxdrainagen war an diesem Tag alles dabei. Hier können die angehenden Ärzte  in lockerer Atmosphäre herausfinden, ob der Fachbereich der Chirurgie für sie eine Berufsperspektive darstellt. Bereits seit einigen Jahren findet der Schnupperkurs am Johannes Wesling Klinikum statt. Allerdings wurde die Infrastruktur noch einmal deutlich verbessert. "Wir konnten zum ersten Mal das neue Campusgebäude nutzen. Die Bedingungen sind jetzt wirklich optimal. Während anderswo nur über Medizinerausbildung geredet wird, trainieren bei uns die jungen Mediziner schon mit Skalpell, Nadel und Faden", sagt Professor Gerdes im Beisein seiner Chefarztkollegen Professor Dr. Hansjürgen Piechota, Direktor der Klinik für Urologie am JWK, Pivatdozent Dr. Dr. Martin Scheer, Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie am JWK, und Professor Dr. Radermacher, Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen.

Nach einer theoretischen Einführung im Hörsaal teilen sich Studenten und Mediziner in einem halben Dutzend Räume auf, um typische Arbeitsfelder der Chirurgie kennenzulernen. Gleich mehrere erfahrene Ärzte stehen an jeder Kursstation den Studierenden zur Seite. Das kennen die angehenden Mediziner schon aus ihrem Studium am Johannes Wesling Klinikum Minden, dem Klinikum Herford, dem Herz- und Diabeteszentrum NRW, dem Zentrum für Seelische Gesundheit in Lübbecke und der Auguste Viktoria Klinik in Bad Oeynhausen: "Im Studium sind wir oft nur sechs Studierende im Kurs, betreut von zwei Oberärzten und einem Professor. Besser geht es nicht", sagt Julia Serwas und ergänzt: "An anderen Studienorten als in OWL ist an eine solche Konstellation nicht zu denken." Auch Professor Dr. Jörg Radermacher, Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen (Nephrologie) und der Lehrkoordinator am Medizin Campus OWL, zieht ein positives Fazit nach dem ersten Semester. "Wir bekommen hervorragende Rückmeldungen von unseren Studierenden. Und die Begeisterung bei der Ärzteschaft für die Ausbildung des Nachwuchses ist ungebrochen", sagt Professor Dr. Radermacher.

Sehr realitätsnah geht es beim Legen einer Thoraxdrainage zu. Als Übungsobjekt dient der Brustkorb eines Schweins, der zwar kleiner ausfällt als bei einem ausgewachsenen Menschen, jedoch vergleichbare Bedingungen bietet. Der Schnitt in die Haut und das Öffnen des Brustkorbs mit einer OP-Schere geschieht oft unter großem Zeitdruck, um Luft, Blut oder andere Flüssigkeiten nach einem Unfall aus der Lunge zu entfernen.  Unter Anleitung der Oberärzte Dr. Ahmad Baderkhan und Dr. Nandor Pataki  gelingt es der Studentin Gesine Sölter schon nach kurzer Zeit, den Drainageschlauch in die Lunge einzuführen. Im Ernstfall wäre damit das Leben eines Patienten gerettet. Nur das Fixieren des Zugangs mit einem OP-Faden will nicht sofort klappen. "Kein Problem, reine Übungssache", sagt  Dr. Baderkhan. Entscheidend sei, dass die Studentin den Schlauch zeitnah in Position gebracht habe. Anschließend üben die Studierenden das Nähen von Wunden mit Nadel und Faden - realitätsnah an einer Schweineschwarte. Auch das Legen eines Urinkatheters  haben die jungen Mediziner geübt. Hier konnten die Studierenden von den Erfahrungen von Professor Dr. Hansjürgen Piechota, Direktor der Klinik für Urologie am JWK, profitieren, der zusammen mit vielen weiteren Kollegen den angehenden Medizinern mit Rat und Tat zur Seite stand.  

Professor Günther  Winde, Fachvertreter für das Fach Chirurgie am Medizin Campus OWL und Direktor der Universitätsklinik für Chirurgie im Klinikum Herford, freut sich über diese zusätzliche Trainingseinheit für seine Studierenden.  Dass schon in zwei oder drei Jahren Absolventen des Medizin Campus OWL  an den OP-Tischen  in den Krankenhäusern Ostwestfalens stehen werden, ist für Professor Winde eine ausgemachte Sache. "Das Talent für die Chirurgie ist in jedem Fall vorhanden", sagt Professor Winde.

 

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