Gut für die Seele

Emotionale Erste Hilfe unterstützt Eltern von Frühgeborenen am JWK

Sind von der Emotionellen Ersten Hilfe überzeugt: von links nach rechts, Chefarzt Prof. Dr. Bernhard Erdlenbruch, Chefarzt der Kinderklinik am Johannes Wesling Klinikum Minden, Mirjam Frömrich von den Frühen Hilfen, Stephanie Clausing, Fachberaterin für Emotionelle Erste Hilfe, und Dr. Denise Lütkenhaus, Leiterin der Frühgeborenen-Intensivstation am JWK.

Nur 770 Gramm wog Milena Sophie, als sie in der 28. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt auf die Welt kam. Das Team aus der Frühgeborenen-Intensivstation am Johannes Wesling Klinikum Minden stand schon bereit, um dem kleinen Mädchen sofort die bestmögliche medizinische Versorgung auf dem Weg ins Leben zu bieten. Auch die Mutter, Sandra Hönisch, musste aufgrund von Herzproblemen auf die Intensivstation, konnte ihre Tochter deshalb erst am nächsten Tag zum ersten Mal sehen.

„Ich wurde im Bett zu ihr hingefahren. Die Ärzte standen am Inkubator und berieten sich, ich sah nur Schläuche und Drähte und fast nichts von meinem Kind“, erinnert sich Sandra Hönisch. Weinend brach sie zusammen. Zu diesem Zeitpunkt war auch Stephanie Clausing, die freiberufliche Fachberaterin für Emotionelle Erste Hilfe ist, auf der Station. Sofort ging sie zu Sandra Hönisch und bot ihr ein Gespräch an. „Sie setzte sich zu mir ans Bett und erklärte kurz, dass sie für Eltern von Frühchen da ist und ihnen in der schwierigen neuen Lebenssituation hilft und sie unterstützt“, sagt Hönisch. Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte, schüttete sie Stephanie Clausing ihr Herz aus, berichtete von ihren Ängsten und Sorgen. „Über eineinhalb Stunden war Frau Clausing bei mir, hörte einfach zu, gab mir viel Zuspruch und auch praktische Tipps, wo ich Hilfe und Unterstützung bekommen kann“, berichtet die 34-Jährige. „Frau Clausing gab mir auch ihre Handynummer und sagte, dass ich sie jederzeit anrufen oder ihr eine SMS schicken könne.“ Dieses Angebot habe sie dankend angenommen und – zusätzlich zu weiteren Gesprächen – auch genutzt.

„Ich konnte bei ihr loswerden, was ich sonst niemandem hätte sagen können. Und Frau Clausing hat mich auch verstanden, weil sie selbst Mutter von Frühchen ist und weiß, wovon sie redet“, erzählt Sandra Hönisch.

Unterstützung und hilfreiche Tipps
Seit Ende April ist Milena Sophie zu Hause und wiegt inzwischen über 4300 Gramm. Zur Kontrolle ist sie noch an einen Monitor angeschlossen und bekommt auch noch Sauerstoff. Ein Pflegedienst kommt täglich und begleitet die Eltern. „Über die vielen Unterstützungsmöglichkeiten, beispielsweise von der Abteilung Frühe Hilfen des Mindener Jugendamtes, hat mich Frau Clausing auch informiert. In der ganzen Situation hätte ich es alleine gar nicht regeln können, hätte auch nicht gewusst, was es alles gibt“, sagt Hönisch dankbar. Hilfreiche Tipps habe sie auch für den Umgang mit ihrer ersten Tochter, der vierjährigen Samantha, bekommen. „Auch sie hat unter der Situation gelitten.“

„Die Emotionelle Erste Hilfe wird Frühchen-Eltern seit Januar 2014 im Johannes Wesling Klinikum Minden angeboten“, sagt die Fachberaterin Stephanie Clausing. Der wichtigste Punkt sei dabei die Zeit. Zeit, die sie sich für die Mütter nimmt, damit diese in der völlig unerwarteten, oftmals schwierigen neuen Lebenssituation ankommen können. „Zunächst gibt es viele Gespräche, in denen die Mütter einfach alles sagen dürfen. Auch begleite ich sie zu ihren Babys, die im Inkubator liegen, und sage ihnen, wie sie durch das Auflegen ihrer Hand auf den Kopf, den Bauch oder die Füßchen Kontakt zu ihrem Kind aufnehmen können. Die Kleinen spüren die Nähe ihrer Mutter, erkennen die Stimme und nehmen beispielsweise den Geruch war. Das tut beiden gut“, erklärt Clausing.

Känguruen – Mutter und Kind in eine enge Verbindung bringen
Um die Bindung zwischen Mutter und Kind weiter zu festigen, wird auch das sogenannte Känguruen angewendet. Die Mutter setzt sich zunächst auf einen Sessel und macht es sich dort mit Kissen bequem. Dann wird ihr das Kind auf den freien Oberkörper gelegt, ein breites, elastisches Tuch schmiegt die beiden dicht aneinander. „Der Körperkontakt und besonders der feste Halt ist für das Kleine wichtig“, weiß die Fachberaterin. Auch Entspannungsmethoden wie verschiedene Atemtechniken übt Stephanie Clausing mit den Müttern. Zudem fragt sie sie nach Situationen, in denen sie auftanken können und ermutigt sie, diese auch jetzt fortzuführen. „Das kann ein Kinobesuch mit der Freundin sein.“

„Als Prof. Erdlenbruch uns die Idee und das Projekt des Frühchenvereins vorstellte, waren wir von der Sinnhaftigkeit sofort überzeugt und haben unsere Unterstützung schnell zugesagt“, erinnert sich Mirjam Frömrich an den Beginn der Kooperation.

Frühe Hilfen unterstützten Familien
Im Rahmen der Frühen Hilfen der Stadt Minden koordiniert sie das Projekt. „Die Finanzierung übernehmen der Frühchenverein und die Stadt. Da aber auch Familien aus anderen Kreisen oder Niedersachsen in die Klinik kommen, wäre es gut, wenn sich die jeweils zuständigen Jugendämter finanziell an dem erfolgreichen Familienprojekt beteiligen würden.“ „Die Emotionelle Erste Hilfe ist ein sehr guter Ansatz, wie man betroffenen Eltern helfen kann“, sagt Prof. Dr. Bernhard Erdlenbruch, Chefarzt der Kinderklinik am Johannes Wesling Klinikum Minden. Wichtig sei es, die Überforderung, die durch die Situation entstehe, zu minimieren und den Eltern auch Schuldgefühle zu nehmen. „Das hat einen positiven Effekt auf die Gesundheit des Kindes“, so der Arzt für Kinder- und Jugendmedizin. „Außerdem können wir den Eltern damit zu unseren bereits bestehenden noch ein weiteres Hilfsangebot machen.“

Bereicherung für alle
Das sieht auch die stellvertretende Stationsleitung Karin Zundel so. „Es ist eine Bereicherung, die ich nicht missen möchte“, sagt sie. Frau Clausing spreche von Mutter zu Mutter, das schaffe noch mal eine andere Nähe als von Schwester zu Mutter. „Natürlich sind wir jederzeit für Gespräche offen, leisten zu unserer pflegerischen und medizinischen Versorgung auch viel Elternarbeit, erklären beispielsweise, wie das Baby gewickelt oder gebadet wird“, so Karin Zundel. Schön wäre es, wenn die Emotionelle Erste Hilfe auch schon während der Schwangerschaft eingesetzt werden könnte. „Unsere Ärzte und wir Schwestern gehen auch vor der Geburt zu Schwangeren, die aus verschiedenen Gründen bei uns im Klinikum sind.“ Es wäre für manche Frau sicher gut, mit der Emotionellen Ersten Hilfe bereits zu diesem Zeitpunkt zu beginnen.

Sandra Hönisch ist dankbar, dass es das Projekt gibt. „Meine Tochter Milena Sophie wurde vom Team auf der Frühgeborenen-Intensivstation wunderbar versorgt. Und meiner Seele hat Frau Clausing einfach gut getan.“

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