Auf Wachstumskurs

Medizinisches Zentrum für Seelische Gesundheit eröffnet neue Station

Das interdisziplinäre Team aus Pflegefachkräften, Psychologen, Therapeuten und Ärzten der Schwerpunktstation für Interaktionsstörungen am Medizinischen Zentrum für Seelische Gesundheit. Auch die beiden Therapiehunde Jaimie und Smilla schauen regelmäßig auf der 7 Ost vorbei.

Professor Dr. Hans Udo Schneider und sein Team haben sowohl aufregende Tage hinter als auch vor sich. Das Medizinische Zentrum für Seelische Gesundheit (ZSG) mit den beiden Universitätskliniken für Psychiatrie und für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum am Standort Lübbecke hat 30 weitere Behandlungsplätze in Betrieb genommen. Auf der neuen Station 7 Ost kümmern sich künftig Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte und Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten um Menschen mit verschiedenen Interaktionsstörungen, früher Persönlichkeitsstörungen genannt. Damit verfügt das Zentrum für Seelische Gesundheit nun über 200 stationäre Betten, 60 teilstationäre Behandlungsplätze an den drei Tageskliniken und eine Institutsambulanz.

Interaktionsstörungen werden traditionell diagnostisch als „Persönlichkeitsstörungen“ bezeichnet. „Wir ziehen aber den Begriff ‚Interaktionsstörung‘ vor, weil ‚Persönlichkeitsstörung‘ suggeriert, dass der Mensch in seiner Gesamtheit gestört sei. Die verschiedenen Formen von Interaktionsstörungen haben nach unserer Auffassung die Gemeinsamkeit, dass die Betroffenen lediglich ein schwieriges Verhalten sich selbst beziehungsweise anderen Menschen gegenüber zeigen“, erklärt Oberärztin Dr. Angelika Böhm. Alle an einer Interaktionsstörung Erkrankte vereint zudem, dass sie einen sehr hohen Leidensdruck haben. „Die Patientinnen und Patienten merken, dass ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt anders ist als das von anderen. Sie erfahren dadurch oftmals Ausgrenzung oder Ablehnung. Das wird zu einem Teufelskreis, weil sie noch unsicherer und ängstlicher werden“, erklärt Professor Dr. Hans Udo Schneider, Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und der Universitätsklinik für Psychosomatik und Psychotherapie am Medizinischen Zentrum für Seelische Gesundheit in Lübbecke.
Auf der Station 7 Ost werden Menschen mit verschiedenen Interaktionsstörungen künftig gemeinsam behandelt. Auch vorher schon wurden im ZSG Interaktionsstörungen therapiert. Da es aber keine Schwerpunktstation gab, wurden die Patientinnen und Patienten über das ganze Haus verteilt. „Mit der neuen Station haben wir die Möglichkeit, den Betroffenen durch die gemeinsame Unterbringung ein intensives Programm anzubieten. Da sich die Behandlung von Interaktionsstörungen wesentlich mit auf Psychoedukation, also auf das Verstehen der eigenen Erkrankung stützt, ist der Kontakt zu gleichfalls betroffenen Patientinnen und Patienten sehr bedeutsam“, sagt Professor Dr. Schneider.

Für alle Betroffenen wird ein multimodales, multiprofessionelles Behandlungskonzept mit therapeutischen Verfahren wie Entspannungstechniken, Achtsamkeitsübungen, Bewegungs-, Kunst-, Musik- und Ergotherapie neben Qi Gong und spezifischen Therapien wie dem Skills-Training angeboten. Welche Therapieformen am besten für einen Menschen mit einer Interaktionsstörung geeignet sind, ist ganz unterschiedlich. „Sehr schnell merken die Patientinnen und Patienten und das therapeutische Team, welche Methoden beim einzelnen Betroffenen am besten wirken“, berichtet Oberärztin und DBT-Fachexpertin Dr. Elisabeth Wilking.

Bei der wohl bekanntesten Interaktionsstörung, der Borderline-Störung, leiden die Betroffenen zum Beispiel unter starken Stimmungsschwankungen. Für diese Patientinnen und Patienten wird auf der neuen Station ein eigenes Therapie-Programm angeboten: die sogenannte Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), welche von einer selbst betroffenen amerikanischen Psychologin entwickelt wurde. Die DBT gilt als weltweit erfolgreichste Therapieform der Borderline-Interaktionsstörung. Im Mittelpunkt dieser speziellen verhaltenstherapeutischen Behandlungsmethode steht zum einen die Informationsvermittlung und „Schulung zum Experten der eigenen Erkrankung“ und zum anderen die Förderung der Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und zur Emotions- und Verhaltensregulation. „Der Prozess ist sehr anstrengend, die Betroffenen müssen sich ihrer Situation stellen, sich selbst ergründen und dann lernen, die starke Intensität ihrer Gefühle regulieren zu können, zum Beispiel mit Hilfe von Skills.“ Das sind Fertigkeiten beziehungsweise Verhaltenskonzepte, die helfen (vermeintlich) plötzlich einschießende Gefühle und Handlungsimpulse „in den Griff“ zu bekommen. Unter anderem versuchen der Patient und das therapeutische Team gemeinsam, individuelle Trigger, das heißt die Auslöser für problematische Situationen zu erkennen. Kennt man diese Situationen, können Patient und das therapeutische Team gemeinsam auf die Suche nach Möglichkeiten einer Entschärfung dieser problematischen Situationen gehen. „Wir überlegen zusammen mit der Patientin oder dem Patienten, welche zielführenderen Gefühle und Handlungsweisen an die Stelle der bisher gewohnten treten könnten“, erklärt Dr. Elisabeth Wilking.

Für diesen Prozess ist am Medizinischen Zentrum für Seelische Gesundheit im Regelfall ein sechswöchiger stationärer Aufenthalt vorgesehen – eine vergleichsweise kurze Zeit. „Das bekommen wir hin, weil wir den Betroffenen anschließend ein teilstationäres Angebot in einer unserer Tageskliniken in Minden, Lübbecke oder Bad Oeynhausen machen. So erhalten die Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, nach und nach wieder in ihr Leben zurückzufinden“, sagt Professor Dr. Schneider.
 
Dass die Dialektisch-behaviorale Therapie sehr gute Wirkung erzielt, haben Studien bewiesen. „Zwischen Bielefeld und Hannover wird die DBT aber bisher kaum angeboten. Deshalb freuen wir uns, dass wir unser Angebot an diesem Punkt sehr deutlich ausweiten können“, sagt der Geschäftsführer des Medizinischen Zentrums für Seelische Gesundheit Mario Hartmann.

Auf der neuen Station 7 Ost arbeiten künftig zwei Ärzte, 13 Pflegekräfte sowie zwei Psychologische Psychotherapeuten eng zusammen. „Psychiatrie und Psychosomatik sind Mannschaftssportarten, stärker noch als jede andere medizinische Disziplin. Und meine Mannschaft verfügt über sehr gute Ärztinnen und Ärzte, herausragend ausgebildete Pflegekräfte und Psychologische Psychotherapeuten, die noch dazu perfekt aufeinander eingespielt sind. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bereich der Pflege sind in den Behandlungsprozess mit eingebunden und übernehmen therapeutische Verantwortung“, lobt Professor Dr. Hans Udo Schneider sein Team.

Für die Aufnahme auf die Station 7 Ost zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einer Interaktionsstörung ist für die Betroffenen jeweils ein Vorgespräch erforderlich. Ein entsprechender Termin kann über die Rufnummern 05741-35-3711 oder 05741-35-3311 vereinbart werden.

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