Eine Revolution der Radiologie

Einer der weltweit ersten Photonen-Counter steht in Minden

Univ.-Prof. Dr. Jan Borggrefe mit dem Heiligen Gral der Radiologie: dem neuen Photonen-Counter.

Als eines von weltweit nur wenigen Krankenhäusern verfügt das Universitätsklinikum Minden seit Kurzem über einen quantenzählenden Computertomographen. Die in der Fachwelt als Photonen-Counter bekannte Technologie wurde jetzt erstmals von Siemens Healthineers auf einer Messe in den USA der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Bereits im August wurde der quantenzählende Computertomograph unter strenger Geheimhaltung in Minden angeliefert und installiert. Seitdem steht er den Patientinnen und Patienten in OWL und darüber hinaus zur Verfügung.

„Dass wir als noch junge universitäre Einrichtung als eine der ersten Kliniken ausgewählt wurden, einen Photonen-Counter zu erhalten, zeigt das große Vertrauen auf die Fähigkeiten und Leistungsbereitschaft unseres großartigen radiologischen Teams um Direktor Professor Dr. Jan Borggrefe. Quantenzählende Detektoren sind nicht weniger als eine Revolution in der Radiologie, die von Minden aus nun ihren Anfang nimmt“, sagt der Medizinvorstand Dr. Jörg Noetzel.

Bisherige Computertomographen wandeln die Röntgenstrahlung zunächst in sichtbares Licht um, das auf einen Lichtsensor trifft und auf diese Weise ein Bild erzeugt. Bei diesem Zwischenschritt geht die für die Diagnose wichtige Information über die Energie der Röntgenstrahlen verloren. Entsprechend verringerte Bildkontraste und Bildschärfe sind die Folge. Der neue quantenzählende Detektor verzichtet auf die Umwandlung der Röntgenphotonen in sichtbares Licht. Die Röntgenphotonen werden direkt in elektrische Signale gewandelt und gezählt. Die Energieinformationen bleiben erhalten. Bildschärfe und Bildkontrast werden deutlich verbessert und die Bilder enthalten neue, aussagekräftige Informationen. „Salopp gesagt; mit einem herkömmlichen CT sieht man eigentlich nur einen Schatten des eigentlichen Bildes. Jetzt können wir mit dem quantenzählenden Computertomographen das Original sehen. Jede Aufnahme bietet den Ärztinnen und Ärzten mehr und präzisere Informationen als je zuvor“, erklärt Professor Dr. Jan Borggrefe, Direktor des Universitätsinstituts für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Minden.

Anwendung findet die neue Technologie in allen Bereichen der Medizin, insbesondere dort, wo feinste Strukturen zu beurteilen sind, etwa Blutgefäße des Herzens, bei Lungenerkrankungen oder winzige Veränderungen von Knochenstrukturen. Hier kann die im Vergleich zur konventionellen Computertomographie viermal so hohe Bildschärfe die Diagnosestellung erleichtern. Die zusätzliche Nutzung der Energieinformation ermöglicht umfassendere diagnostische Aussagen, sodass auf zeit- und kostenintensive Zusatzuntersuchungen vielfach verzichtet werden kann. So lassen sich beispielsweise häufig Punktionen vermeiden, da die genaue Gewebeart bereits im CT-Scan festgestellt werden kann.   

Dass die Mühlenkreiskliniken als einer der ersten Standorte für einen der wenigen quantenzählenden Computertomographen ausgesucht wurden, liegt insbesondere an der großen Expertise von Professor Dr. Jan Borggrefe. Er hat bereits an der Universitätsklinik Köln sehr erfolgreich mit einem Vorläufer des heutigen Geräts geforscht. „Es haben sich viele Radiologien in Deutschland um das Gerät beworben. Dass wir in Minden als eines von wenigen Zentren den Zuschlag erhalten haben, ist einfach grandios. Diese Entscheidung von Siemens Healthineers zeigt, wie man unsere wissenschaftliche und medizinische Entwicklungsperspektive in den kommenden Jahren einschätzt“, sagt Medizinvorstand Dr. Noetzel.

Die ersten Erfahrungen mit dem quantenzählenden Computertomographen am Universitätsklinikum Minden sind ausgezeichnet. „Die Bilder sind bestechend scharf und es lassen sich komplexe Untersuchungen durchführen, die bislang bei uns nicht möglich waren. Diagnosen werden dadurch präziser und sicherer. Wir brauchen in vielen Fällen lediglich die Hälfte des sonst verwendeten Kontrastmittels und untersuchen zum Teil mit einem Fünftel der sonst nötigen Röntgenstrahlung. Es ist eine radiologische Revolution, von der sehr viele Patientinnen und Patienten aus sehr unterschiedlichen Fachrichtungen profitieren werden, sagt Professor Dr. Jan Borggrefe.

Als besonders eindrucksvoll hat Professor Borggrefe den Tag der Anlieferung erlebt. Mit großer Vorfreude hat er die Mitarbeiter*innen des Transportunternehmens vor Ort begrüßt und eingewiesen. „Als nach 18 Monaten Papier- und Kommissionsarbeit das Gerät vorfuhr, war das schon ein sehr besonderer Moment. Nicht nur für mich, sondern für das ganze Team. Photonen-Counting-Computertomographie ist so etwas wie der Heilige Gral für Radiologen. Seit mehreren Jahrzenten ist die Technologie theoretisch bekannt, aber die Umsetzung hat sehr lange gebraucht – unter anderem weil Hochleistungscomputer notwendig sind um Herr der Datenmassen zu werden. Alleine um dieses Gerät in die Kliniken zu bringen, hat Siemens Healthineers knapp 20 Jahre mit ungewissem Ausgang investiert, entwickelt und geforscht“, berichtet Borggrefe.   

Ein neues Einsatzgebiet des quantenzählenden Computertomographen ist die Darstellung von Organen wie Lunge, Herz oder Nieren. Aufgrund der sehr kurzen Untersuchungszeit fallen Bewegungsunschärfen kaum noch ins Gewicht. So können etwa Verlaufskontrollen bei Tumor-, und Herzerkrankungen oder Covid-19-Spätfolgen deutlich verbessert werden. 

Neben den Patientinnen und Patienten profitieren aber auch junge Medizinerinnen und Mediziner am Universitätsklinikum Minden. Ihnen stehen mit den Bildern aus dem Photonen-Counter viele spannende Forschungsarbeiten offen. „Wir werden in den nächsten Jahren sicherlich viele Promotionen und hoffentlich auch Habilitationen in diesem Bereich sehen. Früh am Start und kontinuierlich am Ball mit dieser Technologie bieten wir fachübergreifend den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Minden sehr gute Voraussetzungen, um sich weiterzuentwickeln“, sagt Professor Borggrefe.

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