Lungenoperation durchs Schlüsselloch

Mediziner entfernen Patienten mit einem minimalinvasiven Eingriff Tumor aus der Lunge

Ein Pionier der minimalinvasiven Thorax-Chirurgie: Professor Dr. René Horsleben Petersen (in der Mitte des Bildes) vom Rigshospitalet Copenhagen hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der minimalinvasiven Thoraxchirurgie. Hier leitet er am Universitätsklinikum Minden eine Schulungs-OP.

Zehn Millimeter. Zehn Millimeter, die erstmal alles wieder auf den Kopf stellen und bedeuten, dass der Krebs wieder da ist. Doch Hans-Joachim Neuer* aus Stadthagen hat einen unglaublichen Lebenswillen, er weiß, dass er es schon einmal geschafft hat, und auch diesmal wird er wieder kämpfen.

 

Vor zwei Jahren hatte der 80-jährige Patient bereits einen Tumor in der Lunge, damals auf der linken Seite. Bei einer Kontrolluntersuchung finden Mindener Mediziner vor ein paar Wochen dann einen zehn Millimeter großen Tumor auf der anderen Seite, dem rechten Lungenflügel. „Wir gehen davon aus, dass es sich hierbei um einen Zweittumor und nicht um Metastasen handelt. Zum Glück konnte das Karzinom frühzeitig erkannt werden, sodass die Heilungschancen sehr gut aussehen“, erklärt Dr. Ahmad Baderkhan, Oberarzt in der Klinik für Allgemeinchirurgie am Universitätsklinikum Minden.

 

Der fast Blaubeer-Große Tumor des Stadthäger Patienten befindet sich in einem sogenannten Lungensegment. Zur Erklärung: Die Lunge besteht aus dem rechten und linken Lungenflügel, die in sogenannte Lungenlappen unterteilt sind. Diese wiederum sind in mehrere Lungensegmente unterteilt – und jedes Segment verfügt über eine eigene Durchblutung.

 

Die Mindener Chirurgen haben sich für einen minimalinvasiven Eingriff entschieden, um den Tumor des 80-jährigen Patienten zu entfernen: „Durch diese Methode haben wir die Möglichkeit nur ein Segment statt eines ganzen Lungenlappens zu entfernen. Für unseren Patienten ist das ein enormer Gewinn, denn jede Reduzierung des Lungengewebes führt zwangsläufig zu einer verminderten Lungenkapazität“, erläutert Oberarzt Dr. Ahmad Baderkhan.

Die Chirurgen arbeiten mit der sogenannten Schlüsselloch-Methode. Der Oberarzt erklärt: „Dafür nehmen wir nur drei kleine Schnitte im Brustkorb des Patienten vor, die wir als Zugang für Kameraoptik und für das Instrumentarium verwenden.“  

 

Der Eingriff ist hochkomplex: Die Entfernung eines Segments, die Segmentektomie, ist aufgrund der Lungenanatomie deutlich anspruchsvoller als die operative Entfernung eines ganzen Lungenlappens, da die Segmentgrenzen mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind. Bei der Operation bekommen die Mindener Mediziner deshalb Unterstützung von einem Pionier der minimalinvasiven Thorax-Chirurgie: Professor Dr. René Horsleben Petersen vom Rigshospitalet Copenhagen hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der minimalinvasiven Thoraxchirurgie. Der Chirurg aus Dänemark hat im Rahmen eines Symposiums im Universitätsklinikum seinen Mindener Kollegen die minimalinvasiven Segmentresektionen erklärt und vorgeführt.

 

Das thoraxchirurgische Team im Mindener Klinikum ist unter dem Dach der Allgemeinchirurgie mit mehreren thoraxchirurgischen Oberärzten und Assistenzärzten aufgestellt. Die Einführung der minimalinvasiven Segmentresektionen erfolgt in Minden durch den Senior Consultant der Klinik Professor Dr. Ahmed Boseila gemeinsam mit seinem Kollegen Oberarzt Dr. Ahmad Baderkhan. Der Direktor der Klinik für Allgemeinchirurgie Professor Dr. Berthold Gerdes ist beeindruckt von seinem Kollegen aus Dänemark: „Professor Petersen hat in den vergangenen zehn Jahren ein VATS-Segmentektomie-Programm entwickelt und fast 500 Operationen dieser Art mit guten Ergebnissen durchgeführt.“

 

Hans-Joachim Neuer hat sich bewusst für das Johannes Wesling Klinikum entschieden, denn vor zwei Jahren haben die Mindener Chirurgen bereits seinen ersten Tumor entfernt, ebenfalls minimalinvasiv. „Ich habe keine riesige Narbe am Brustkorb und war schnell wieder auf den Beinen. Hier war und bin ich immer den besten Händen gewesen und bin sowohl dem Ärzte- als auch dem Pflegeteam sehr dankbar“, sagt der 80-jährige Stadthäger. Dass der Krebs nun wieder da ist, sei für ihn kein Schock: „Ich nehme das so an und bin froh, dass solche Top-Mediziner mich operieren. Mein Lebenswille ist enorm und ich habe keinen meiner Pläne für die nächste Zeit umgeworfen.“

 

Knapp zwei Stunden dauert die Operation. Professor Dr. Petersen und seine Mindener Kollegen arbeiten dabei mit der sogenannten ICG-Fluoreszenz Technik, um die Lungensegmente voneinander trennen zu können. Dabei wird die Durchblutung des befallenen Segmentes unterbrochen und in die Blutgefäße des Patienten wird der Farbstoff Indocyaningrün (ICG) gespritzt. Mittels einer Infrarotkamera leuchten die gesunden Lungensegmente grün, das befallene Segment jedoch nicht, so dass dieses an der ersichtlichen Segmentgrenze abgesetzt wird. Der Tumor und die umgebenen Lymphknoten des Stadthäger Patienten können so erfolgreich entfernt werden.

 

Professor Boseila ist überzeugt von den Vorteilen der minimalinvasiven Operations-Methode: „Kleine Schnitte bedeuten auch weniger Schmerzen, schnellere Erholung, weniger Infektionsgefahr und vor allem durch die Segmentresektion: die Lungenfunktion bleibt erhalten.“ Der 80-jährige Patient musste nach der Operation nicht künstlich beatmet werden und ist am nächsten Tag wieder mobil: „Mir geht es hervorragend, natürlich hatte ich anfangs mit Schmerzen zu kämpfen, aber das hat sich schnell reguliert. Ich kann gar nicht glauben, dass ich nur winzige Narben habe. Das ganze OP-Team hat wirklich tolle Arbeit geleistet und ich bin sehr dankbar, dass ich nach weniger als eine Woche nun nach Hause kann“, sagt Hans-Joachim Neuer.

 

 

*Name geändert

 

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