Mit Mikrowellen den Krebs bekämpfen

Universitätsklinikum Minden setzt auf neue Behandlungsmethode in der Urologie

(von links) Professor Hansjürgen Piechota, Direktor der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Operative Uro-Onkologie, Wilhelm Barrakling und Oberarzt Firas Abukora.

Wilhelm Barrakling hatte Glück im Unglück. Daran wird der 85-jährige bei jedem Wasserlassen erinnert. Denn eigentlich hätte seine Harnblase aufgrund eines Tumors komplett entfernt werden müssen. Doch Professor Hansjürgen Piechota, Direktor der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Operative Uro-Onkologie am Johannes Wesling Klinikum Minden, hat zusammen mit seinem Oberarzt Firas Abukora die Blase von Wilhelm Barrakling mithilfe einer neuen Behandlungsmethode retten können. Das Universitätsklinikum ist eine von nur sieben Kliniken deutschlandweit, die diese spezielle Behandlung anbieten kann. 

Seit 2012 hat Wilhelm Barrakling immer wieder Probleme mit oberflächlichen Blasentumoren. Diese Krebstumore legen sich wie eine dünne Schicht auf die innere Blasenwand. Weil sie in der Regel nicht tief ins Gewebe eindringen, können sie gut durch einen endoskopischen Eingriff, eine „Schlüsselloch-Operation“ durch die Harnröhre, abgetragen und anschließend durch eine lokale Chemotherapie behandelt werden. Anders als bei anderen Krebstherapien wird die Blase mit dem Chemotherapeutikum nur gespült. Die sonst üblichen Nebenwirkungen einer Chemotherapie entfallen dadurch weitestgehend. „Leider sind oberflächliche Blasentumore nicht so leicht auszurotten. Bei dreiviertel der Patienten ist nach ein bis zwei Jahren ein erneutes Tumorwachstum zu beobachten. Deswegen müssen sehr regelmäßige Kontrolluntersuchungen gemacht werden“, erklärt Professor Piechota.

Bei Wilhelm Barrakling ist diese Therapie seit 2012 mehrfach durchgeführt worden. „Der Tumor war nach jeder Behandlung weg. Leider kam der Krebs in ständig kürzeren Abständen wieder“, sagt Professor Piechota. Es stand die Frage im Raum, ob die Blase deshalb komplett entfernt werden muss. „Blasenkrebs – auch wenn es nur ein gut behandelbarer oberflächlicher Krebs ist – bleibt eine potentiell tödliche Erkrankung. Bei aggressiven und schnellwachsenden Tumoren besteht immer die Gefahr einer Streuung oder des Einwachsens in benachbarte Organe“, erklärt der erfahrene Mediziner.

Im Universitätsklinikum Minden gibt es seit einigen Jahren eine weitere Behandlungsmöglichkeit genau dieser Art von Blasentumoren: die sogenannte Intravesikale Radiofrequenz-induzierte Thermo-Chemotherapie. Was sich kompliziert anhört und in Wahrheit auch kompliziert ist, lässt sich laienhaft durch ein einfaches Bild beschreiben. Durch einen kleinen, Mikrowellen aussendenden Heizstab im Inneren eines Katheters wird das Chemotherapeutikum beim Spülen der Blase kontrolliert erwärmt. „Das hat zwei Wirkungen: Erstens wird die Blasenwand durch die Wärme erhitzt. Das Chemotherapeutikum kann dadurch in die Blasenwand eindringen und auch tiefer liegende Krebszellen zerstören. Zweitens haben die Mikrowellen selbst eine tumorzerstörende Wirkung“, berichtet Oberarzt Firas Abukora, der das Verfahren an der Urologischen Universitätsklinik Gießen erlernt hat. Sechs Behandlungen innerhalb von sechs Wochen sind notwendig, um einen Therapieerfolg zu erzielen. In der Regel müssen die Patienten nach einer Behandlung für eine Nacht stationär zur Beobachtung im Klinikum bleiben.

Im Ergebnis können Patienten mit einem aggressiven oberflächlichen Blasentumor wie Wilhelm Barrakling ihre Blase behalten. „Ohne diese Art der Therapie hätten wir Herrn Barrakling längst die Blase entfernen müssen. Die Gefahr einer Ausbreitung des Krebs' wäre zu groß gewesen. Mit der neuen Methode haben wir aber eine neuartige Behandlungsoption, durch die eine große Totaloperation vermieden oder zumindest aufgeschoben werden kann“, sagt der Professor und Direktor der Klinik für Urologie, Hansjürgen Piechota.

Wilhelm Barrakling ist froh über die verhältnismäßig gut verträgliche Behandlungsalternative. „Ich freue mich jeden Tag darüber, dass ich normal auf die Toilette gehen kann. Die Behandlung ist etwas unangenehm, aber nicht wirklich schmerzvoll. Schon zwei Tage später merkt man davon nichts mehr“, erzählt der 85-Jährige. Sein Leben kann er weiter leben wie bisher. Einzig regelmäßige Kontrolluntersuchungen im Abstand von drei Monaten sind notwendig. Eine vollständige Blasenentfernung bedeutet für die Patienten dagegen eine komplette Lebensumstellung. Neben einer fünf- bis siebenstündigen Operation müssen Patienten einen mindestens zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt sowie eine anschließende Reha einplanen. Danach müssen sie sich an die Gegebenheiten einer aus körpereigenem Darm geschaffenen „neuen Blase“ oder an einen künstlichen Blasenausgang gewöhnen. „Auch mit der neuen Methode können wir die große Operation leider nicht jedem Patienten ersparen. Aber es ist ein zusätzlicher Pfeil im Köcher, der – zur rechten Zeit eingesetzt – für eine nicht unerhebliche Anzahl von Patienten den Erhalt der eigenen Blase bedeuten kann“, sagt Professor Hansjürgen Piechota.

Infokasten Blasenkrebs:
Blasenkrebs ist die fünfthäufigste bösartige Tumorerkrankung des Menschen. Das Risiko für Männer, an Blasenkrebs zu erkranken, ist rund dreimal so hoch wie das Risiko von Frauen. Dementsprechend ist Blasenkrebs die vierthäufigste Krebserkrankung beim Mann und liegt bei Frauen an zehnter Stelle. Das Durchschnittsalter des Auftretens liegt zwischen 65 bis 70 Jahren. Erkrankungen bei Patienten jünger als 50 Jahre sind sehr selten. Häufige Symptome der Erkrankung sind das Vorhandensein von Blut im Urin (zumeist schmerzlos), starker und häufiger Harndrang wie bei einer Blasenentzündung (nur hier ohne Bakteriennachweis) sowie allgemeine und anhaltende Beschwerden beim Wasserlassen. Ursächlich für die Entstehung von Blasenkrebs gelten chronische Entzündungen, Tabakkonsum, die Aufnahme bestimmter chemischer Substanzen, Strahlenexposition und abwehrunterdrückende Medikamente. Bei der Erstdiagnose wird zu rund 75 Prozent ein oberflächliches Karzinom gefunden. Ein Wiederauftreten des Tumors nach erfolgreicher Heilung ist sehr häufig, weshalb engmaschige fachurologische Kontrollen und Nachsorge inklusive Urin- und Ultraschalluntersuchung und Blasenspiegelungen erforderlich sind.

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