Die Kapelle lädt ein, zur Ruhe zu kommen, Atem zu holen und Gott nahe zu sein.
Ich stehe mitten in der Kapelle. Mein Blick gleitet über die Holzbögen. Massiv und schwer sind sie, trotzdem fällt Licht hindurch und sie scheinen zu schweben.
Jeder Balken ist anders, zeigt Spuren und Verletzungen aus seiner Geschichte – so wie wir Menschen.
Die Balken umschließen den Raum in sanftem Schwung. Sie umschließen mich. Hier fühle ich mich geborgen.
Ich denke an Noahs Arche. Ein stabiles, starkes Schiff, das Leben in sich birgt und bewahrt. Auch wenn alles über mich hereinbricht, eine ganze Flut von Gedanken, Hoffnungen, Ängsten – hier ist ein Schutzraum Gottes für mich.
Da ist Jesus, der Mann am Kreuz. Ein altes Wegkreuz. Lange Zeit hat es die Reisenden bei Wind und Wetter an Gottes Güte erinnert.
Die Arme der Christusfigur waren schon einmal abgebrochen. Nun sind sie ausgestreckt und segnen mich.
Dieser Jesus hat Wunden, genau wie ich. Ich sehe ihm ins Gesicht, und er scheint zu lächeln. „Ich verstehe dich.“ spricht aus diesem Blick.
Er kennt meine Ängste, er hat für mich gelitten und ist sogar für mich durch den Tod gegangen. Selbst auf den dunkelsten Wegen ist er mein Begleiter.
Dieser gewaltige Stein, der Altar – wie ein Fels in der Brandung steht er dort.
Auch wenn alles zerbricht und zerfällt, er ist und bleibt unverrückbar. Dieser Stein, der Tisch des Herrn, ist mir ein Zeichen für Gottes Beständigkeit und Treue. „Du bereitest mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.“ heißt es im 23. Psalm.
Gott bereitet mir einen Tisch im Angesicht meiner Angst, meiner Zweifel, meiner Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Im Angesicht meiner Feinde tut Gott mir Gutes.
Eines Nachts hatte ich einen Traum:
Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn.
Vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlten,
Streiflichtern gleich, Bilder aus meinem Leben.
Und jedesmal sah ich zwei Fußspuren im Sand,
meine eigene und die meines Herrn.
Als das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen
war, blickte ich zurück. Ich erschrak, als ich entdeckte,
dass an vielen Stellen meines Lebensweges nur eine Spur
zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten
Zeiten meines Lebens.
Besorgt fragte ich den Herrn:
"Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du
mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein.
Aber jetzt entdecke ich, dass in den schwersten Zeiten
meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist.
Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am
meisten brauchte?"
Da antwortete er:
"Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie
allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten.
Dort wo du nur eine Spur gesehen hast,
da habe ich dich getragen."
Quelle: Originalfassung © 1964 Margaret Fishback Powers. Deutsche Fassung © 1996 Brunnen Verlag, Gießen