Die doppelten Lebensretter

Enge Abstimmung zwischen den Experten rettet einem 85-Jährigen das Leben

Der Tag begann für Erwin Henke mit unerträglichen Bauchschmerzen. Dem 85-jährigen Hüllhorster ging es so schlecht, dass sein Sohn den Rettungswagen verständigte, der ihn unverzüglich ins Lübbecker Krankenhaus brachte. Die Zeit drängte, wie das CT verriet, das in Lübbecke angefertigt wurde. An der linken Beckenschlagader war ein Aneurysma geplatzt. Henke drohte innerlich zu verbluten, falls nicht bald etwas geschah.

Das Aortenzentrum am Krankenhaus Bad Oeynhausen ist auf solche Notfälle spezialisiert. „Wir sind so etwas wie die Feuerwehr für Gefäße,“ erläutern Oberarzt Ernest Danch sowie Dr. Mathias Emmerich, Direktor des Instituts für Anästhesiologie und Intensivmedizin. „Zu uns kommen Patienten aus einem Einzugsgebiet von Hannover bis Osnabrück.“ Ohne Zeit zu verlieren, wurde Erwin Henke deshalb von Lübbecke nach Bad Oeynhausen verlegt. Dort wurde er bereits von einem eingespielten Team aus Anästhesisten und Gefäßchirurgen erwartet. Umgehend wurde der Patient in Narkose versetzt und operiert. In einer etwa zweistündigen Operation setzte ihm Oberarzt Stefan Heisel durch die Leiste eine Stentprothese in die Beckenschlagader ein – minimalinvasiv. Alles verlief ohne Komplikationen, und Erwin Henke erholte sich auf der Intensivstation zusehends.

Bis zum vierten Tag: „Wir waren mit dem Verlauf zunächst sehr zufrieden, aber am vierten Tag wurde der Kreislauf plötzlich instabil“, berichtet Heisel. Ein erneutes CT ergab, dass sich ein zweites Aneurysma an einer Arterie gebildet hatte, die die inneren Organe versorgt. Ein Riss war entstanden, der ganz aufzubrechen drohte. Das bedeutete erneut Lebensgefahr für den Patienten. Wieder war eine sofortige Operation nötig. Aber eine Verlegung des Patienten nach Minden zu den Spezialisten der Interventionellen Radiologie kam wegen seines Gesundheitszustands nicht infrage.

Es sind genau solche Fälle, auf die sich das Team um Professor Dr. Jan Borggrefe – seit August Direktor des Universitätsinstituts für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Johannes Wesling Klinikum und damit auch Direktor der Radiologie im Krankenhaus Bad Oeynhausen – sorgfältig vorbereitet hat. Das Institut wurde in den vergangenen Monaten auf Spitzenniveau immer weiter ausgebaut. „Wir sind so aufgestellt“, sagt Borggrefe, „dass wir auch in den anderen Kliniken des Verbunds vor Ort einen Notfall versorgen können.“ Der logistische Aufwand ist zwar immens: Ein Notfallkoffer mit Material im Wert von 25.000 Euro stehe immer bereit, um für eine denkbar große Anzahl möglicher Interventionen gewappnet zu sein, erläutert Professor Dr. Borggrefe. Das Ergebnis aber, die optimale Versorgung der Patienten in hoch kritischen Situationen, rechtfertigt diesen Aufwand allemal: Er rettet Leben.

Das von Erwin Henke zum Beispiel: Eine kurze Kontaktaufnahme und Abstimmung zwischen der Gefäßchirurgie und den Intensivmedizinern in Bad Oeynhausen sowie der Radiologie in Minden genügte, und Professor Dr. Borggrefe und Oberarzt Dr. Jan Robert Kröger machten sich mit der entsprechenden Notfallausrüstung mit dem Auto auf den Weg vom Johannes Wesling Klinikum nach Bad Oeynhausen. Erwin Henke konnte umgehend vor Ort operiert werden – wiederum minimalinvasiv. Die Radiologen platzierten eine winzige Platinspirale, „Coil“ genannt, im Aneurysma-Inneren und verschlossen den Riss. Eine große OP, die sonst die einzige Alternative gewesen wäre, blieb dem betagten Patienten damit erspart.

Heute hat der 85-Jährige das alles gut überstanden und ist überglücklich. „Ich habe so viel zu danken, dem Ärzteteam und allen, die mich betreut haben“, sagt er, und man spürt, wie tiefernst ihm jedes Wort ist. „Ich war hilflos. Aber alles ist gut geworden.“

Auch das Bad Oeynhauser Ärzteteam ist froh, dass durch die Bündelung aller Kräfte und eine „tolle Teamleistung“ alles ein so gutes Ende genommen hat. „Exzellent“ sei die Zusammenarbeit mit den Mindener Radiologen gewesen, hebt Ernest Danch hervor, und zukunftsweisend noch dazu: „Der Arzt kommt zum Patienten statt umgekehrt. Das wird hier schon gelebt.“ Minimal belastend für den Patienten, schnell und mit einem Höchstmaß an fachlicher Expertise.

Gleich zwei Mal konnten die Ärzte der Mühlenkreiskliniken Erwin Henke auf diese Weise das Leben retten: zuerst die Gefäßchirurgen und Intensivmediziner in Bad Oeynhausen, dann die Radiologen aus Minden. Ohne die sehr enge standort- und abteilungsübergreifende Kooperation an den Mühlenkreiskliniken wäre das undenkbar gewesen: „Wir sind darauf vorbereitet, die anderen Häuser sehr flexibel zu unterstützen“, sagt Professor Dr. Jan Borggrefe. „Das wiederum stärkt die einzelnen Standorte.“ Vor allem aber garantiert diese Kooperation, dass die Patienten immer die bestmögliche Behandlung bekommen: „Die unterschiedlichen Spezialisierungen können sich optimal ergänzen“, fasst Stefan Heisel zusammen. „Viele Experten unter einem Dach, das ist der große Vorteil unseres Klinikverbundes.“

Und das schließt auch die Pflege mit ein. Als es ihm schlecht gegangen sei, habe er mit seinem Leben eigentlich schon abgeschlossen, sagt Erwin Henke, aber in dieser Zeit seien nicht nur seine Ärzte immer für ihn da gewesen, sondern auch die „jungen Frauen und Männer, die mich drei Wochen lang aufgebaut haben und denen nichts zu viel wurde. Diese jungen Menschen leisten Großartiges für die Gesellschaft“.

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