Doktoranden erhalten Auszeichnung

Gute Forschungsbedingungen an der Universitätsklinik für Psychiatrie

Ähnlich wie hier Wanja Brüchle und Christina Berns arbeiten die Doktoranden bei ihren Forschungen zu Hirn-Plastizität und Depressionen eng zusammen.

Wie veränderbar ist das Gehirn? Anders gefragt: Wie groß ist die Bereitschaft der einzelnen Zellen, sich untereinander zu vernetzen? Diese sogenannte „Plastizität“ des Gehirns lässt sich messen und sie lässt sich auch beeinflussen. Auf welche Weise – und welche Anwendungsmöglichkeiten für psychiatrische Fragestellungen sich daraus ergeben –, das untersucht zurzeit eine Forschungsgruppe junger Doktoranden, die sich um die Neurowissenschaftlerin Privatdozentin Dr. Karin Rosenkranz an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Medizinischen Zentrums für Seelische Gesundheit in Lübbecke gebildet hat.
„Das Gehirn bleibt bis ins hohe Alter veränderbar. Das ist die Grundlage allen Lernens“, erläutert PD Dr. Rosenkranz. Die von ihr geleitete Forschungsgruppe beschäftigt sich vor allem damit, die in der Neurologie bereits etablierte Methode der „Transkraniellen Magnetstimulation“ (kurz TMS), bei der mithilfe kurzer Magnetfelder Reize an das Gehirn gesendet werden, auch für psychiatrische Anwendungen fruchtbar zu machen – insbesondere für die Behandlung von Depressionen. Denn eines konnten die Studien am Medizinischen Zentrum für Seelische Gesundheit bereits zweifelsfrei belegen: „Es gibt einen Zusammenhang zwischen einer eingeschränkten Plastizität und der Stärke der Ausprägung von klinischen Symptomen bei Patienten mit Depressionen“, so Privatdozentin Dr. Rosenkranz. „Das ist eine ganz neue wissenschaftliche Erkenntnis.“
Der „Volkskrankheit“ Depressionen – laut WHO sind in Deutschland etwa vier Millionen Menschen davon betroffen – widmen sich gleich drei Projekte der Forschungsgruppe:
Wanja Brüchle hat in Zusammenarbeit mit der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld untersucht, wie sich ein strukturiertes Sportprogramm auf die Symptome der Erkrankung, auf die Plastizität und auf Kognitionsdaten (Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, Konzentration) auswirkt. Das Ergebnis: Bei der Sportgruppe verbesserten sich nicht nur die Symptome der Krankheit, sondern auch die Plastizität als Marker für Lernfähigkeit. Bei einer Kontrollgruppe war dies weniger stark ausgeprägt. Bewegung tut der Seele gut – diese Studie konnte dies nun auch im Gehirn messbar machen. 
In Sebastian Schos Projekt geht es um die Optimierung der Therapie mit repetitiver transkranieller Magnetstimulation (rTMS), die schon jetzt als nicht-invasive, weitgehend nebenwirkungsfreie Zusatztherapie zur medikamentösen Behandlung von Depressionen eingesetzt wird. Auch hier kommt wieder die Messung der Plastizität zum Einsatz: Mit deren Hilfe lässt sich die Wirksamkeit unterschiedlicher Behandlungsparadigmen kontrollieren und dadurch die Effektivität der Therapie steigern. 
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist die Studie von Jessica Schneefeld, die den Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen und Therapiemotivation auf den Behandlungserfolg von depressiven Patienten untersucht. 
Das vierte Forschungsprojekt beschäftigt sich noch einmal mit dem Zusammenhang zwischen Lernen und Plastizität. Christina Berns hat an Studenten in der Prüfungsvorbereitung untersucht, ob und wie sich intensive Lernphasen auf die Plastizität des Gehirns auswirken. Ihre Ergebnisse zeigten tatsächlich einen Anstieg der Werte – und lieferten zwei weitere interessante Erkenntnisse. Erstens: Die Veränderung war nicht allein auf die Gehirnregionen begrenzt, die für das Denken und Gedächtnis verwendet werden. Und zweitens: Ab einer bestimmten Lernzeit pro Tag verlangsamte sich der Anstieg der Plastizität immer mehr. Es scheint also tatsächlich so etwas Ähnliches wie einen Sättigungsgrad beim Lernen zu geben. Die Studie belegt es.

Inzwischen haben die Projekte bereits erste wissenschaftliche Anerkennung gefunden: Brüchle, Scho und Berns erhielten Stipendien von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) und konnten im März ihre Studien auf der Jahrestagung in Freiburg präsentieren. Christina Berns wurde dort für ihre Poster-Präsentation mit einem Preis ausgezeichnet, Sebastian Scho erhielt die Einladung zu einem Vortrag. „Ihre Ergebnisse stießen auf großes Interesse bei anderen Wissenschaftlern“, bestätigt Privatdozentin Dr. Rosenkranz, die seit 20 Jahren an Universitäten im In- und Ausland auf dem Gebiet der Neurowissenschaften forscht. 

Auf den Erfolg ihrer Doktoranden ist sie sehr stolz: „Diese Forschungsgruppe gibt es erst seit zwei Jahren. In dieser kurzen Zeit haben wir viel geschafft.“ Möglich gemacht habe das auch die herausragende Ausstattung des von ihr am Medizinischen Zentrum für Seelische Gesundheit in Lübbecke aufgebauten Labors: „So ein Labor gibt es nur an wenigen anderen Standorten in Deutschland. Wir haben damit als psychiatrische Universitätsklinik ein Alleinstellungsmerkmal und sind auch international konkurrenzfähig.“ Ein weiterer Grund sei die gute Zusammenarbeit unter den jungen Forschern, denn „wissenschaftliche Arbeit auf diesem Niveau funktioniert nur in Kooperation“, so die international anerkannte Wissenschaftlerin.
Bei den Doktoranden selbst hat die Chance, die sie an der Universitätsklinik erhalten haben, „unter engagierter Betreuung einen relevanten Beitrag zur Wissenschaft zu leisten“ (Berns), nach eigenem Bekunden die Lust auf Forschung geweckt. Profitieren werden am Ende die Patienten. Denn was momentan vielleicht noch sehr theoretisch klingt, ist ein weiterer Schritt in Richtung einer individualisierten – und damit hoch effektiven – Medizin.

 

Newsletter
Klinikfinder