Wenn der Arzt zum Doktor wird

Neurochirurg Ali Alomari erlangt nebenberuflich seine Promotion

(von links) Dr. Ali Alomari mit seinem Doktorvater Privatdozent Dr. Ulrich Knappe, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Mindener Universitätsklinikum.

Wenn der Mindener Neurochirurg Ali Alomari früher von Patienten mit „Herr Doktor“ angesprochen wurde, musste er seine Patienten korrigieren. Er war Arzt, aber kein Doktor.
Arzt gleich Doktor – diese Gleichung lernt man schon in Kindheitstagen. Doch automatisch ist dies nicht. Denn der akademische Doktor-Titel muss in einer eigenen wissenschaftlichen Arbeit unabhängig von der medizinischen Ausbildung und der Approbation erlangt werden. Früher war der akademische Titel unter Ärzten eine Selbstverständlichkeit. Die meisten Studierenden machen ihn noch während des Studiums. Immer mehr junge Mediziner verzichten aber auf die Promotion – auch weil die Ansprüche an wissenschaftliche Arbeiten für Mediziner in den vergangenen Jahren gestiegen sind.

Ali Alomari hat einen anderen Weg gewählt. Er hat seine Promotion berufsbegleitend während seiner Facharztausbildung und seiner Beförderung zum Oberarzt an der Klinik für Neurochirurgie am Johannes Wesling Klinikum durchgeführt. Herausgekommen ist eine 80-seitige wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Wertigkeit der intraoperativen Sonografie zur Resektionskontrolle bei der transsphenoidalen Resektion von Hypophysenadenomen“. Was sich kompliziert anhört, ist eigentlich eine wissenschaftliche Qualitätskontrolle der von seinem Chef und Doktorvater PD Dr. Ulrich Knappe entwickelten Operationsmethode. Dabei wird bei der operativen Beseitigung eines bestimmten Tumors im Kopf – dem sogenannten Hypophysenadenom – eine winzige Ultraschallsonde eingesetzt, um während der Operation besser entscheiden zu können, wie tief der Chirurg Gewebe entfernen kann. Ein Tumor an der Hypophyse – die auch Hirnanhangdrüse genannt wird – wird meist durch die Nase operiert. „Ich habe eingeführt, dass neben den normalen Optiken während der Operation auch ein Sonografiegerät eingesetzt wird. Damit kann der Operateur in alle Richtungen und auch in die darunter liegenden Gewebestrukturen blicken, um so besser entscheiden zu können, wie weit das Tumorgewebe reicht und wann gesundes Gewebe beginnt“, sagt PD Dr. Ulrich Knappe, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Mindener Universitätsklinikum. Dass nun sein Oberarzt und Doktorand die positive Wirkung seiner Operationsmethode in einer Dissertation wissenschaftlich in Frage stellt, ärgert den Chef in keiner Weise. Im Gegenteil: „Wissenschaft funktioniert nur durch hinterfragen. Nur so kann sich die Medizin weiterentwickeln“, so Knappe. 

Für die Doktorarbeit hat Ali Alomari die Patientenakten und die Therapieerfolge von 113 Patienten analysiert. In fast allen der von dem Mindener Wissenschaftler untersuchten Fällen war es möglich, die in der Tiefe verborgenen wichtigen Strukturen wie Blutgefäße und Hirnnerven, welche mit den konventionellen Methoden wie der Mikroskopie oder Endoskopie nicht gesehen werden können, darzustellen und den genauen Abstand zu diesen Strukturen zu messen. So war es möglich, bis an diese gesunden Strukturen heran zu operieren, ohne sie zu gefährden. Auch verborgene Resttumoranteile konnten in 58 Prozent der Fälle dargestellt und beseitigt werden. „Der Einsatz dieser Methode führte zu einer deutlichen Verbesserung der Ergebnisse“, fasst Ali Alomari sein Ergebnis zusammen.
Herausgekommen ist aber auch, dass die Methode kein Allheilmittel ist. „Es bleibt eine Operation an einer lebenswichtigen Drüse in unmittelbarer Nähe zum Gehirn. Jeder Schnitt zu viel kann lebensgefährlich sein, jeder Schnitt zu wenig Tumorgewebe zurücklassen, das dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder wachsen wird. Viele dieser Tumore führen zu einer Überproduktion an Hormonen. Ohne komplette Entfernung des Tumors bliebe die Krankheit bestehen. Mit und ohne OP-begleitende Sonografie bleibt es die Entscheidung des erfahrenen Neurochirurgen, wie weit er resezieren kann und muss. Mit der zusätzlichen Sonografie hat er aber ein Entscheidungskriterium mehr“, bilanziert Dr. Alomari.

Direktor PD Dr. Ulrich Knappe ist mit dem Ergebnis zufrieden. Für sich, aber auch für seinen Doktoranden. „In der Arbeit wurde wissenschaftlich belegt, dass die durch mich eingeführte neue Operationsmethode einen positiven Einfluss hat. Das freut mich natürlich sehr. Aber auch für meinen Oberarzt freue ich mich. Er hat sich wissenschaftlich mit einem medizinischen Thema auseinandergesetzt und zum Wissensaufbau beigetragen. Ich werbe bei meinen jungen Kollegen für die Promotion. Denn ich bin sicher, dass die Promotion nicht nur der Medizin, sondern auch den Doktoranden und auch den Patienten hilft. Ein Arzt, der das wissenschaftliche Arbeiten während einer Promotion erlernt oder sogar während einer Habilitation vertieft hat, wird sich auch im Laufe seines beruflichen Lebens immer wieder mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinandersetzen und daraus selbst Schlussfolgerungen ziehen. Und davon profitieren auch unmittelbar die Patienten“, sagt PD Dr. Knappe.

Dr. Ali Alomari will sich nun erstmal auf seinen Posten als Oberarzt und seine Familie konzentrieren. Aber so ganz lässt ihn die Wissenschaft nicht los. Derzeit sucht er eine wissenschaftliche Zeitschrift, die eine Zusammenfassung seiner Promotion veröffentlichen will. Und dann? „Mal sehen. Erstmal freue ich mich über jeden, der mich mit ‚Herr Doktor‘ anredet“, sagt Dr. Ali Alomari.  

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