Er gehört zu den wenigen, die sich auch nach zwei Jahren noch engagieren und Hilfstransporte für die Ukraine organisieren. Aufgeben ist für Serhii Tabulovych keine Option. Seine Transporte bringen nicht nur Medikamente und medizinische Ausrüstung, sondern auch Hoffnung und Solidarität in ein Land, das von den Folgen des Krieges schwer gezeichnet ist.
19 Transporte hat der Mindener Anästhesist in den vergangenen zwei Jahren organisiert und durchgeführt. Und jeder einzelne Einsatz hat Spuren hinterlassen, hat etwas mit ihm gemacht, „wenn man die Bilder des Krieges im Fernsehen sieht, wirkt es so weit weg, irgendwie nicht echt. Aber wenn man dort steht und sieht, was Krieg eigentlich wirklich bedeutet, wie bombardierte Häuser aussehen, wie viele Verletzte und Tote es gibt, zerreißt es einen“, erzählt Serhii Tabulovych.
Vor über zwei Jahren begann die Invasion russischer Truppen in die Ukraine. Seitdem dauert der Angriffskrieg Russlands mit zunehmender Härte und Zerstörung an. Tabulovych weiß noch genau, wie er im Februar 2022 von seinem Bruder eine SMS bekam, dass Kiew bombardiert wird, „ich habe es nicht glauben können, es war total surreal“. Dabei hat Serhii Tabulovych selbst hautnah miterlebt, wie schnell alles gehen kann, wie schnell Truppen mobilisiert werden können. Wie schnell Befürchtungen Realität werden.
Bis 2014 leben der Mediziner und seine Frau in Donezk, einer Großstadt in der östlichen Ukraine. „Als wir die ersten russischen Panzer gesehen haben, wussten wir, wir müssen hier so schnell wie möglich weg“, erzählt der 36-Jährige.
Tabulovych und seine Frau lernen noch in der Ukraine deutsch und fliehen aus ihrem Heimatland, um sich frühzeitig in Sicherheit zu bringen. Seit 2016 lebt der Mediziner mit seiner Familie in Minden.
Seinem Heimatland steht der Mediziner aber immer zur Seite: Seit Beginn des Krieges engagiert er sich, organisiert Hilfsgüter für die Ukraine. „Ich bin den Mühlenkreiskliniken und dem Lions Club Porta Westfalica sehr dankbar, dass sie keine Sekunde gezögert haben und sofort eine Spendenaktion ins Leben gerufen haben“, sagt Serhii Tabulovych, Anästhesist und Organisator der Hilfsaktion.
Mittlerweile sind fast 500.000 Euro Geldspenden eingegangen. Der Wert der geleisteten Sachspenden liegt bei zusätzlich rund 600.000 Euro. Doch der Ukraine-Krieg ist in der Öffentlichkeit nicht mehr so präsent wie zu Beginn, „es ist irgendwie schon Alltag für viele geworden und durch die vielen Krisen haben die Menschen auch einfach andere Probleme“, so Serhii Tabulovych.
„Das Spendenaufkommen ist erwartungsgemäß abgeebbt. Wir sind aber sehr dankbar, dass sich Herr Tabulovych weiterhin maximal engagiert und eine so große Hilfsbereitschaft zeigt“, so Dr. Jörg Kampshoff, Präsident des Lions Clubs Porta Westfalica, und Rolf Watermann, Schatzmeister der Fördergesellschaft des Lions Clubs Porta Westfalica. „Wir haben damals keine Sekunde gezögert, diese wertvolle Spendenaktion als Kooperation der Mühlenkreiskliniken mit dem Lions Club ins Leben zu rufen und sind sehr dankbar, dass sich seither so viele Menschen an unserer Aktion beteiligt haben und weiterhin beteiligen“, so Professor Dr. Hansjürgen Piechota, Ärztlicher Direktor des Johannes Wesling Klinikums und Mitglied des Lions Club Porta Westfalica.
Alle Transporte bestehen in der Regel aus Medizinischen Geräten, Medikamenten und Materialien für die Medizin. Es werden gebrauchte Geräte aber auch neuerworbene medizinische Geräte in der Ukraine gebraucht. Dazu gehören beispielsweise mobile Röntgengeräte (C-Bögen) für die operative Versorgung, Narkosegeräte, Beatmungsgeräte für Intensivstationen und Notfallbeatmungsgeräte, Autoklaven (Sterilisatoren), Sauerstoffkonzentratoren, Spritzenpumpen usw. Aber auch verschiedene Medikamente, Verbandsmaterialien, Pflaster, künstliche Ernährung und OP-Materialien sind immens wichtig. Mit den Spendengeldern können außerdem Hilfsgüter für die taktische Medizin besorgt werden, wie zum Beispiel Wundverbände, Tourniquets, Nadeln für die Dekompression, Infusionswärmer, aktive Wärmedecken und aktive Wärmesohlen.
„Am Anfang haben sich sehr viele Menschen engagiert, auch sehr viele ukrainische Mediziner hier in Deutschland. Jetzt nach zwei Jahren sind nur noch wenige übrig. Aber wir hören nicht auf, die Hilfsaktion läuft weiter und wir arbeiten weiterhin daran, den Menschen in der Ukraine in dieser schwierigen Zeit beizustehen. Jede weitere Unterstützung – sei es durch Sach- oder Geldspenden – ist von unschätzbarem Wert und hilft uns, weiterhin effektive Hilfe zu leisten“, betont Serhii Tabulovych.
Vor allem der bevorstehende Winter bereitet dem Mindener Mediziner Sorgen. Wie sollen die Menschen ohne Nahrung und Schutz die eisig kalten Temperaturen überstehen? Nach Angaben der UNO-Flüchtlingshilfe (UNHCR) wurden seit Kriegsausbruch weltweit etwa 6,5 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine registriert, rund 3,7 Millionen Menschen waren Ende 2023 innerhalb des Landes auf der Flucht. Es handelt sich um eine der größten Vertreibungskrisen der Welt. In der Ukraine starben durch den Krieg bislang mehr als 10.000 Zivilpersonen. Mehr als 1,4 Millionen Menschen in der Ostukraine haben keinen Zugang zu fließendem Wasser. Dass die Ukraine den Krieg verlieren könnte, ist für Serhii Tabulovych nach den aktuellen Entwicklungen ein realistisches Szenario. „Was passiert dann mit der restlichen ukrainischen Bevölkerung? Ich habe Angst, dass es unser Volk nicht mehr geben wird“, so der Familienvater. Er versuche, optimistisch zu bleiben, Hoffnung in dunklen Zeiten zu schöpfen. Deshalb hört er auch nicht auf – „wenn ich es nicht mache, wer macht es denn dann?“, fragt sich der gebürtige Ukrainer. 2022 sei ein sehr herausforderndes Jahr für seine gesamte Familie gewesen. Jede freie Minute hat der Anästhesist mit der Planung und Organisation der Hilfsaktion verbracht, „meine Familie habe ich kaum gesehen“.
Er wird die Menschen in seinem Heimatland nicht im Stich lassen, nicht vergessen – aber selbst wieder zurückzukehren, kann sich der Familienvater nicht mehr vorstellen. „Mein Leben ist in Deutschland, meine gesamte Familie lebt mittlerweile in Minden, wir haben Wurzeln geschlagen und sind hier sehr glücklich. Und so geht es vielen Ukrainern“, erzählt Serhii Tabulovych. Der Mediziner ist schon in der Planung für den bald 20. Transport – er macht einfach weiter, für ihn gibt es keinen Raum für Resignation.
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