Das erste Mal – Schwieriger Neurochirurgischer Eingriff

Ärztenachwuchs wird Stück für Stück herangeführt

Foto: MKK PD Dr. Ulrich Knappe, Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie am Johannes Wesling Klinikum Minden (r.), überprüft jeden Schnitt und jede Handbewegung seines Assistenzarztes Raul-Ciprian Covrig.

„Klar bin ich aufgeregt. Bei dieser Art der Operation habe ich bisher nur zugesehen. Außerdem guckt mir heute mein Chef auf die Finger.“ Raul-Ciprian Covrig ist 28 Jahre alt und Assistenzarzt in der Klinik für Neurochirurgie am Johannes Wesling Klinikum Minden. In der Abteilung werden Patienten operiert, die einen Tumor im Gehirn oder Probleme an der Wirbelsäule haben. „Neuro steht für Nerven“, erklärt der Nachwuchsmediziner. „In der Neurochirurgie machen wir die Eingriffe, die etwas mit den Nerven, die den ganzen Körper durchziehen, zu tun haben. Vor allem im Bereich des Gehirns und der Wirbelsäule.

Heute steht eine Operation am offenen Schädel auf dem OP-Plan. Die Patientin leidet unter regelmäßig wiederkehrenden epileptischen Anfällen. Als Ursache dieser Krampfanfälle identifizierten die Mediziner ein so genanntes Cavernom, eine Missbildung von Gefäßen im Bereich des rechten Stirnhirnlappens. „Dieses Cavernom hat einen Durchmesser von etwa 1,5 Zentimeter. An seinen Rändern kommt es immer wieder zu kleinen Blutungen und Reaktionen dieses Blutes mit dem angrenzen Nervengewebe“, erläutert PD Dr. Ulrich Knappe, Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie am Johannes Wesling Klinikum Minden. „Die dabei entstehende Narbe löst die für die Patientin unkontrollierbaren Anfälle aus.“

OP am offenen Schädel
Für medizinische Laien ist die Vorstellung, dass jemanden der Schädelknochen geöffnet wird, sehr befremdlich. „Das ist auch aus ärztlicher Sicht gut nachvollziehbar“, bestätigt der Experte Knappe. „Auch bei diesem Eingriff liegen Regionen des Gehirns, die für die Sprache und die Motorik zuständig sind, ganz in der Nähe des Operationsfeldes. Da haben wir Chirurgen eine unheimlich große Verantwortung.“

Schritt für Schritt bespricht der Chefarzt mit seinem Assistenten den bevorstehenden Eingriff. Immer wieder werden die hochauflösenden Aufnahmen aus dem Kernspintomographen verglichen, ein elektronisches Navigationssystem installiert, mit dessen Hilfe die Neurochirurgen ihre Operation immer wieder kontrollieren können. Die Patientin liegt in tiefer Narkose. Jan Persson ist bei diesem Eingriff der Anästhesist. Er überwacht währen der gesamten Behandlung die Vitalfunktionen der jungen Frau. Er verabreicht Medikamente, überprüft die Sauerstoffsättigung im Blut, den Blutdruck und die Herzfunktion. „Alles in Ordnung“, gibt er das Zeichen. Die Operation beginnt.

Präzision ist das Wichtigste
„Ich mache jetzt einen Schnitt und setze dann den Bohrer an.“ Mit einem fragenden Unterton beschreibt Assistenzarzt Covrig die nächsten Schritte, die er machen will. „Legen Sie los!“ kommt die leise aber sehr bestimmte Bestätigung seines assistierenden Chefarztes. Nach wenigen Minuten setzen die beiden Operateure ein Mikroskop ein. Mit seiner Hilfe sehen die Neurochirurgen das Cavernom und das angrenzende Hirngewebe in bis zu 20-facher Vergrößerung. Konzentrierte Stille herrscht jetzt im OP-Raum. Sie wird lediglich durch die Herzgeräusche der Patientin und ein unregelmäßig wiederkehrendes Piepen unterbrochen. Das Geräusch stammt von einem chirurgischen Gerät, dem Bipolar. Immer wenn der Piepton erklingt, hat der Operateur das Bipolar unter Strom gesetzt. Mit dem heißen Gerät kann er dann Gewebe veröden und Blutungen verhindern. „Nehmen Sie jetzt die Mikroschere!“ Hoch konzentriert gibt der Chefarzt Anweisungen. Covrig bestätigt mit einem leisen „Mmmh.“ Der operationstechnische Assistent, Sven Haseloh, reicht das Instrument mit den nur wenige Millimeter langen Blättern an. „Achten Sie darauf, dass Sie nicht bohren“, unterbricht Dr. Knappe seinen Nachwuchsarzt. Mit Hilfe seiner Hände erläutert der Chefarzt, wie die Operation jetzt weitergeführt werden muss. Während die eine Hand zur Faust geballt ist umspielt die offene Rechte die Linke. „Sie müssen das Cavernom auf allen Seiten abtrennen und so herausschälen.“ Covrig nickt kurz und setzt sich wieder ans Mikroskop. Einmal wechseln die beiden noch die Position. Aus dem Assistenten wird der Operateur und umgekehrt. Dann nach etwa drei Stunden ist es geschafft. Das Kavernom ist entfernt, die Nachblutungen gestillt, der Schädelknochen verschlossen und die Kopfwunde ist genäht. Nach dem Verlassen des Operationssaals zieht Covrig erleichtert den Mundschutz vom Gesicht. „Ich hoffe, dass alles gut gegangen ist. Vorhin war die Patientin schon wieder ansprechbar. Sie hat noch im Schlaf geantwortet und auch ihre Beine konnte sie bewegen.“ Als Chefarzt PD Dr. Ulrich Knappe dazukommt, gibt er seinem jungen Kollegen einen anerkennenden Klaps auf den Rücken. „Das war gut. Mit Unterstützung ist das Ergebnis jetzt so, als hätte ich selbst operiert. Der Eingriff hat nur länger gedauert. Aber Nachwuchsoperateure müssen auch Gelegenheiten haben, um unter Aufsicht eigene OP-Erfahrung zu sammeln.“

Nach einer Woche konnte die Patientin das Johannes Wesling Klinikum Minden wieder verlassen. Ob mit dem Cavernom ihre Krampfanfälle wirklich dauerhaft beseitigt sind, werden Untersuchungen in den kommenden Monaten zeigen.

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