„Unsere Bezahlung ist das Lächeln der Patienten“

Grüne Damen arbeiten ehrenamtlich am Krankenhaus Rahden

Zuhören und da sein. Das ist die Hauptaufgabe der Grünen Damen in Rahden. Für die Wünsche der Patientinnen und Patienten hat Sigrid Fabri immer ein offenes Ohr.

Der erste Weg führt in die kleine Umkleide im Erdgeschoss des Rahdener Krankenhauses. Auf den Bügeln am Kleiderständer hängt ordentlich immer das gleiche Kleidungsstück: ein grüner Kittel. Das Erkennungszeichen der „Grünen Damen“. Wenn Sigrid Fabri diesen Kittel anzieht, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Sigrid Fabri leitet die Grünen Damen am Krankenhaus Rahden und diese Aufgabe erfüllt sie immer wieder aufs Neue mit großer Zufriedenheit.

Seit 1987 gibt es den ehrenamtlichen Dienst der ökumenisch arbeitenden „Evangelischen Kranken- und Alten-Hilfe“ – bekannt als Grüne Damen – am Krankenhaus Rahden. An zwei Tagen in der Woche, dienstags und donnerstags, engagieren sich hier zurzeit 16 Frauen, nach einem geregelten Dienstplan und mit zwei Schwerpunkten: dem Besuchsdienst und dem Frühstücksdienst. Letzterer wurde 2005 in Rahden eingeführt und ist eine Besonderheit: „Den Frühstücksdienst gibt es, soviel ich weiß, in anderen Krankenhäusern im Umkreis nicht“, erzählt Sigrid Fabri, und dabei schwingt auch ein wenig Stolz mit.

Diesen frühen Dienst hat sie auch heute wieder übernommen. 7.30 Uhr ist es – um diese Zeit dreht sich mancher, der wie die gelernte Friseurin Sigrid Fabri schon im verdienten Ruhestand ist, noch einmal im Bett um. Die Grüne Dame aber ist da schon mit flottem Schritt unterwegs zu Station 2. Kaffee abfüllen für die Patienten ist normalerweise das Erste, was auf ihrem Programm steht, danach eine kurze Rücksprache mit den Pflegekräften. „Der ständige Kontakt mit dem Pflegepersonal ist für uns etwas ganz Wichtiges. Welcher Patient Unterstützung beim Frühstücken benötigen könnte, welches Frühstück er zu sich nehmen darf und worauf wir achten müssen – das erfahren wir von den Pflegekräften.“ 

Manchmal ist es ein Schlaganfall, manchmal auch ein Armbruch oder eine starke Sehbehinderung, dass etwas so Alltägliches wie das Frühstücken zu einer Herausforderung macht. Da kommt die Unterstützung der Grünen Damen wie gerufen. Und während Sigrid Fabri für eine Patientin das Brot buttert, belegt und in mundgerechte Stücke schneidet, während sie ihr die Tasse Kaffee bereitstellt oder für sie den Strohhalm ins Trinkpäckchen pikst, kann die Patientin ganz in Ruhe essen und trinken und hat einen guten Start in den Tag. „Ein bisschen betüdeln“, nennt die Leiterin der Grünen Damen das und weiß genau, wie wichtig so etwas ist, um gesund zu werden. „Wir Grünen Damen übernehmen keine pflegerischen Aufgaben“, sagt sie. „Dafür sind wir nicht ausgebildet. Wir geben auch keine Medikamente aus. Aber wir können den Patienten den Krankenhausaufenthalt erleichtern.“

Anfangs habe es zwar durchaus Bedenken gegeben, ob der Frühstücksdienst nicht die Abläufe auf der Station eher stören würde, erinnert sich Fabri. Aber in der Praxis bestätigten sich die Befürchtungen nicht. Im Gegenteil. „Die Grünen Damen sind für uns eine Bereicherung“, betont Stationsleiterin Linda Niemann. „Uns fehlt für eine so intensive Betreuung oft die Zeit.“ Das Pflegepersonal hat die ehrenamtlichen Helferinnen längst als „Kolleginnen“ akzeptiert. Diese Anerkennung ihrer Arbeit freut Sigrid Fabri ganz besonders.

Etwa eine Stunde dauert der Frühstücksdienst. Manchmal helfen die Grünen Damen noch rasch beim Wegräumen der Tabletts, dann geht es nach unten in die Cafeteria. Dort warten schon die beiden Damen, die gleich den Besuchsdienst übernehmen werden. Informationen werden ausgetauscht:  Wer übernimmt welche Station? Ist heute etwas Besonderes vorgefallen? Aber es bleibt auch noch Zeit, um bei einer Tasse Kaffee ein bisschen zu klönen. Der Zusammenhalt untereinander ist gut, dazu tragen auch gemeinsame Ausflüge und Unternehmungen bei. 

Dann beginnen die beiden für den Besuchsdienst eingeteilten Helferinnen ihren Rundgang durch die Zimmer. Wie Sigrid Fabri ist auch Gerda Franke schon seit vielen Jahren eine Grüne Dame: „Eine Bekannte hat mich damals angesprochen und gesagt: Das wäre doch was für dich.“ Und sie behielt Recht: Gerda Franke macht diese ehrenamtliche Tätigkeit bis heute Freude. Jeder Dienst, jedes Zimmer ist anders. Wenn sie an eine Tür klopft, weiß sie nicht, was sie erwartet, wie alt oder jung der Patient oder die Patientin ist, welche Krankengeschichte er oder sie hat. 

Sobald sie dann das Zimmer betreten und sich kurz vorgestellt hat, lautet eine ihrer ersten Fragen meistens: „Haben Sie einen Wunsch?“ Denn die Grünen Damen nehmen sich nicht nur Zeit für ein freundliches Gespräch, sie erledigen auch kleinere Aufgaben für die Patienten, bringen zum Beispiel Wäsche zur Reinigung oder einen Brief zur Post. Oder besorgen Kleidung oder Toilettenartikel, wenn jemand so überraschend ins Krankenhaus musste, dass keine Zeit blieb, eine Tasche zu packen. „Einmal hat mich ein Patient gebeten, für ihn einen Lottoschein auszufüllen“, erinnert sich Gerda Franke schmunzelnd. „Leider wurden es dann doch keine sechs Richtigen.“

Natürlich komme es auch vor, dass Patienten gerade lieber ihre Ruhe hätten. „Dann geht man eben wieder“, sagt sie. Einem kleinen Schwätzchen sind die meisten aber nicht abgeneigt. So wie Friedhelm Högemeier, der früher einmal selbst im Krankenhaus Rahden gearbeitet hat. Oder Niels Wullbrandt, der sich von seiner Meniskus-OP bereits gut erholt hat, wie er Gerda Franke erzählt. Er finde es gut, dass es die Grünen Damen gibt, sagt er. „Gerade für Ältere, die vielleicht sonst niemanden haben.“ Auch Dorothee Brandt, ebenfalls gerade frisch am Knie operiert, möchte die Grünen Damen im Krankenhaus Rahden nicht missen. „Ich habe den Eingriff bewusst hier in Rahden machen lassen, weil es in diesem kleinen Krankenhaus so familiär ist und man viel Gutes hört. Die Grünen Damen tragen ihren Teil dazu bei. Ich weiß zu schätzen, dass es Menschen gibt, die sich ehrenamtlich für andere einsetzen. Schon allein sich mit jemandem unterhalten zu können ist viel wert.“

Ein Honorar erhalten die Grünen Damen für ihren Einsatz nicht und dennoch: „Man bekommt unheimlich viel zurück“, sagt Sigrid Fabri. „Unsere Bezahlung ist das Lächeln der Patienten.“ Sie hat nie bereut, dass sie sich vor 18 Jahren von ihrer Vorgängerin Heide Gärtner mit einem schlichten „Komm man!“ ins Team hat holen lassen und macht auch anderen Mut, sich in der Krankenhilfe zu engagieren. Nicht nur Frauen, auch Männern. Denn: „Es gibt auch Grüne Herren. Deutschlandweit ungefähr 600. Auch in Rahden hatten wir schon welche.“ Zuhören können müsse man dafür, Zeit und Geduld mitbringen; Mehr eigentlich nicht – außer den Wunsch, ein paar Stunden im Monat für andere dazu sein. 

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