Wenn jede Minute zählt

Studierende besuchen die Feuer- und Rettungswache Bad Oeynhausen

Bei der Bergung kommt eine ganze Menge technisches Gerät zum Einsatz.

Es beginnt damit, dass irgendwo irgendjemand die 112 wählt. Sobald in der Leitstelle der Notruf eingeht, wird eine Rettungskette in Gang gesetzt, in der alle Hand in Hand arbeiten: Feuerwehren, Rettungs- und Notfallsanitäter, Notärzte und Krankenhäuser. Je besser ihre Zusammenarbeit, desto besser auch die Versorgung des Notfallpatienten.

Das Johannes Wesling Klinikum hat deshalb nun für seine Medizin-Studierenden einen Praktikumstag in der Feuer- und Rettungswache Bad Oeynhausen veranstaltet. Zwei Gruppen von jeweils etwa 30 Studierenden aus dem 9. und 10. Semester beschäftigten sich dort intensiv mit dem Thema Notfallmedizin. Im Vorlesungsteil ging es unter anderem um die Versorgung von polytraumatisierten Patienten und um die Organisationsstruktur des Rettungsdienstes. Daneben stand aber auch das Kennenlernen der Abläufe in einer Leitstelle und der Einsatzfahrzeuge auf dem Programm – vom Krankentransportwagen bis zum Notarzteinsatzfahrzeug.

„Die Leitstelle ist das Herzstück des Rettungsdienstes“, erklärte Professor Dr. Bachmann-Mennenga, Direktor des Universitätsinstituts für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin an den Mühlenkreiskliniken. „Hier wird die gesamte Organisation für den Notfall vorgegeben und darüber entschieden, wer ausrückt, mit wie vielen Helfern und mit welcher Ausrüstung“.

70 Prozent aller Notfälle seien internistischer Art, fünf Prozent Verkehrsunfälle, so Professor Dr. Bachmann-Mennenga. Das Spektrum reiche „vom Kleinkind bis zum Hundertjährigen, von der Nierenkolik bis zur Entbindung“. Im Wesentlichen werde die Notfallmedizin von Chirurgen und Anästhesisten besetzt, aber: „In einer Notfallsituation sollte jeder Arzt, egal welcher Fachrichtung, weiterhelfen können.“ Deshalb gehörten Kenntnisse in diesem Bereich zur Basisausbildung von Medizinstudierenden. Eine so praxisnahe Vermittlung in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr sei jedoch etwas ganz Besonderes.

Im Rahmen des Praktikumstages simulierte ein Einsatzteam der Feuerwehr in der Rettungswache Bad Oeynhausen den Ernstfall und demonstrierte die patientengerechte Rettung aus einem zerstörten Auto. Während ein Feuerwehrmann in die Rolle des verunglückten Fahrers schlüpfte, sicherten seine Kameraden den Unfallort und das Fahrzeug, stabilisierten den Fahrer, setzten Rettungsschere und Säbelsäge ein, um den Verletzten zügig aus dem Auto zu befreien, und sorgten dafür, dass sich das rettungsdienstliche Fachpersonal möglichst effektiv um den Patienten kümmern konnte.

Die Studierenden waren nicht nur von dem schweren technischen Gerät beeindruckt, das zum Einsatz kam, sondern auch von der Zusammenarbeit der Helfer auf engstem Raum. „Diese Demonstration kommt der Live-Situation sehr nahe“, bestätigte Professor Dr. Bachmann-Mennenga. Die notwendigen Kenntnisse für das Erheben eines Befundes und für die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen erhalten die Studierenden in ihren Vorlesungen und Seminaren. Durch die besonders anschauliche Simulation lernten sie nun auch die technische Seite der Notfallrettung kennen und konnten miterleben, wie viel Teamarbeit dabei erforderlich ist. Denn im Ernstfall muss jeder genau wissen, was wann zu tun ist. Jedes Missverständnis kostet Zeit und jede Unkenntnis der Abläufe gefährdet nicht nur das Leben der Patienten, sondern auch die Gesundheit des Rettungspersonals. 

„In zehn Prozent aller Unfälle hat man genügend Zeit, um die Personen ganz in Ruhe und möglichst schonend zu bergen. In weiteren zehn Prozent ist sofort klar: Hier ist höchste Eile geboten. Dann hat eine schnelle Bergung absolute Priorität. In den übrigen 80 Prozent muss der Arzt sorgfältig abwägen: Habe ich nur zehn oder 20 Minuten Zeit, um den Menschen zu retten?“, erläuterte Rolf Südmersen, der bei der Vorführung die Einsatzleitung hatte.

Besonders wichtig wird ein gutes Verständnis für die technischen Abläufe und ihren Zeitaufwand, wenn es mehrere Unfallopfer gibt. „In der Regel hat der Arzt nur 90 Sekunden pro Patient, um den Schweregrad seiner Verletzungen einzuschätzen und zu kategorisieren – von der Feststellung, dass der Patient keine Behandlung, sondern nur eine Betreuung benötigt, bis hin zur Erkenntnis, dass jemand nicht mehr zu retten ist.“

Die Demonstration der Feuerwehr wurde von den Studierenden aufmerksam verfolgt. Außerdem standen die Fachleute den angehenden Medizinern noch für weitere Fragen zur Verfügung: Welche technischen Maßnahmen werden in welchen Situationen eingesetzt? Wie läuft die Bergung ab, wenn das Auto auf der Seite oder auf dem Dach liegt? Wen spreche ich als Arzt konkret im Team der Feuerwehr an, damit meine Entscheidungen umgesetzt werden?

„Eines hat diese Veranstaltung den Studierenden auf jeden Fall deutlich gemacht: Bei einem Notfalleinsatz sind Profis unterschiedlicher Fachrichtungen am Werk, deren gemeinsames großes Ziel es ist, das Leben der Unfallopfer zu retten. Und dies ist nur möglich wenn sich diese unterschiedlichen Experten in Krisensituationen blind verstehen und sekundenschnell gemeinsame Entscheidungen treffen können“, zog Rettungsmediziner und Mitorganisator Dr. Jens Tiesmeier ein positives Fazit des Praktikumstages. 

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