Für mehr Orientierung im Krankenhaus

16 Demenzlots*innen im Krankenhaus Lübbecke im Einsatz

Einige der Lübbecker Mitarbeiter*innen, die bereits zu Demenzlots*innen ausgebildet wurden.

Alles ist neu, anders und ungewohnt: Demenzerkrankte benötigen auch bei Aufenthalten im Krankenhaus besondere Unterstützung. Das Krankenhaus Lübbecke stellt sich dieser Herausforderung und will Betroffenen und Angehörigen Ängste nehmen. Und eine Orientierung geben.

Die Zahl der Menschen, die an Demenz erkranken, nimmt zu. In Deutschland leiden etwa 1,5 Millionen Betroffene an einem krankhaften Gedächtnisverlust. Pro Jahr kommen rund 250.000 Neuerkrankungen hinzu. Bis zum Jahr 2025 werden etwa 2,5 Millionen Menschen an Demenz leiden.

„Mit diesem Wissen ist es umso wichtiger bereits jetzt ein Grundgerüst zu schaffen, um nicht nur die Pflege, die Behandlung sowie die Betreuung der Betroffenen bestmöglich zu gewährleisten, sondern auch deren persönliches Umfeld eng einzubinden, zu beteiligen und zu beraten“, sagt Reinhild Eikenhorst, Demenz-Coach am Krankenhaus Lübbecke.

Der Krankenhausaufenthalt, bedingt durch die fremde Umgebung, das Fehlen von Bezugspersonen oder die allgemeine Reizüberflutung, kann sich für Menschen mit Demenz schnell zu einer Krisensituation entwickeln. Zunehmende Desorientierung, Unruhe, Aggression oder Angst sind die Folge, was beispielsweise dazu führt, dass Essen und die Einnahme von Medikamenten abgelehnt oder medizinische Untersuchungen gar verweigert werden. Diese Situationen stellen für Angehörige sowie Pflegekräfte und Ärzt*innen eine Ausnahmesituation dar.

Im Krankenhaus Lübbecke geht man diese Probleme strategisch an und setzt deshalb unter anderem auf Demenzlots*innen. 16 Mitarbeiter*innen wurden bereits ausgebildet.  Die Lots*innen sind Anker für Patient*innen, Ratgeber für Kolleg*innen und Ansprechpartner*innen für Angehörige. Demenzlots*innen sammeln Informationen (wie Pflegeanamnese, Biographie, Gespräche mit Angehörigen, Pflegeüberleitungen und Vorbefunde), kontrollieren delirrelevante Parameter und notieren ihre Beobachtungen zur Schmerzeinschätzung. Eine zeitnahe Therapie bei möglichen Komplikationen wird so angeregt sowie eine effiziente und qualifizierte Versorgung ermöglicht. Demenzlots*innen sind Teammitglieder bei Fallbesprechungen und koordinieren die weitere Versorgung in Absprache mit dem Entlassmanagement. Sie sind aber in erster Linie auch Halt und Stütze für die demenzerkrankten Patient*innen – sie lotsen sie durch den Krankenhausaufenthalt.

„Wir brauchen dringend mehr Aufklärung und Wissen im Umgang mit kognitiv eingeschränkten Patientinnen und Patienten. Die Demenzlots*innen können als Multiplikator die erlernten Inhalte mit Kolleginnen und Kollegen teilen. Davon profitieren alle Bereiche“, sagt Urte Abbate, Pflegedirektorin des Krankenhauses Lübbecke. Es wird das Ziel verfolgt, die Bedingungen zu verbessern und die Arbeit der Pflegenden spürbar zu erleichtern.

„Menschen mit einer Demenz finden im Krankenhaus Lübbecke sensibilisierte Pflegefachkräfte, die sie im ‚Dschungel Krankenhaus‘ nach ihren Bedürfnissen begleiten und unterstützen; die sich in einem Akutkrankenhaus für demenzfreundliche Strukturen einsetzen und diese dann umsetzen; die ein erfolgreiches Schmerz – und Delirmanagement mit einem interdisziplinärem Team etablieren“, erklärt Demenz-Coach Reinhild Eikenhorst.  

Pflegedirektorin Urte Abbate freut sich, dass sich so viele Mitarbeiter*innen im Krankenhaus Lübbecke für das Thema Demenz interessieren: „Ich bin sehr glücklich, dass dieses so wichtige Thema weiterhin im Krankenhaus Lübbecke im Fokus steht und ausgebaut wird, denn diese vulnerable Patientengruppe ist in den Kliniken präsenter denn je.“

Demenzlots*innen bringen das erworbene Know-how auf alle Stationen: Nicht nur die pflegerischen Stationen halten inzwischen Demenzlots*innen vor. Funktionsbereiche, wie OP oder Anästhesie, weisen ebenfalls geschulte Mitarbeiter*innen aus – wie Frauke Nierhaus.

„Die Ausbildung zur Demenzlotsin war total spannend und aufschlussreich für mich. Ich habe auch viel für die Praxis mitnehmen können, was den Umgang mit demenzerkrankten Patient*innen betrifft. So ist es zum Beispiel wichtig, dass wir nicht viele Personalwechsel haben, diese Patient*innen brauchen konstante Bezugspersonen und viel Ruhe. Man muss sich bemühen, einen Zugang zum Patienten aufzubauen. Durch die Nähe schwinden dann auch Ängste“, erklärt Frauke Nierhaus, Pflegekraft in der Anästhesie im Krankenhaus Lübbecke.

Die Lotsenfunktion ist für den Heilungserfolg sehr wichtig. Denn insbesondere ältere Menschen laufen im Krankenhaus Gefahr, in einen Delirzustand zu fallen. Als Delir wird eine akute Bewusstseinsstörung - oft infolge von Medikamenten, Stress/ psychischer Belastung, Infektionen oder Schmerzen - bezeichnet. Diese Menschen sind verwirrt, aus der Spur geraten und leben in einer anderen Welt. Sie können einerseits unruhig, ärgerlich und streitbar sein; anderseits auch in sich zurückgezogen, ängstlich und teilnahmslos wirken. Ein Delir kann nach Stunden oder Tagen vorbei sein. Manchmal wird ein temporäres Delir aber zu einer dauerhaften demenziellen Erkrankung.

Pflegedirektorin Urte Abbate erzählt: „Geplant ist natürlich, die Fachlichkeit noch weiter auszubauen. Und noch mehr Mitarbeiter*innen zu schulen, so werden wir die Entwicklungen und Herausforderungen, die vor uns liegen, gemeinsam bewerkstelligen können.“

Das Krankenhaus Lübbecke ist als demenzsensibles Krankenhaus deutschlandweit bekannt. Projekte wie "Doppelt hilft besser bei Demenz" oder das "Rooming-in bei Demenz" sind seit 2007 sehr erfolgreich gestartet worden.

Im Zentrum des Konzepts "Demenzsensibles Krankenhaus" stehen eine optimale Versorgung älterer Patienteninnen und Patienten, die Angehörigenberatung und die Delir-Vermeidung.

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