Mitten drin

Die Kapelle im Johannes-Wesling-Klinikum Minden liegt abgeschieden von der Hektik des Krankenhausbetriebs und doch zentral hinter der Eingangshalle im ersten Innenhof.

Sie wurde von der Künstlerin Susanne Tunn in Zusammenarbeit mit dem Krankenhausarchitekten Harald Klösges geschaffen.

Die Kapelle ist Tag und Nacht geöffnet als Ort der Ruhe für Patienten,
Besucher und Mitarbeitende und als Raum für feierliche Gottesdienste.
Gelegentlich finden hier auch kleine Konzerte und Lesungen statt.

Am 20. Juni 2018 wurde der zehnte Jahrestag ihrer Einweihung feierlich begangen.

Hinweise zu Material und künstlerisch-architektonischer Konzeption und Ausführung

Susanne Tunn, Innenraum. Holzskulptur, Stein, Boden, Beleuchtung.

Von 1980 bis 1986 absolvierte sie ein interdisziplinäres Studium an der Universität Bielefeld in Kunst, Soziologie und Erziehungswissenschaften. Im Jahr 1991 erhielt sie ein Atelierstipendium des Landes Niedersachsen, 1995 ein Projektstipendium der Heitland Foundation sowie ein Arbeitsstipendium des Landes Niedersachsen. Seit 1992 ist sie als Professorin an der InternationalenSommerakademie für Bildende Kunst Salzburg tätig.

Von 1991 bis 2014 hatte sie ihr Atelier im Bahnhofsgebäude von Alfhausen.

Seit 1988 viele Projekte in Deutschland und im europäischen Ausland, Preis des Westfälischen Friedens 1998, zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, u.a. MARTa Herford, Alf-Lechner Museum Ingolstadt, Seit 1992 Professur an der internationalen Sommerakademie für bildende Kunst Salzburg.

Innenraum

Der Raum der Kapelle wird gebildet aus 60 bis zu 5 Meter hoch geschichteten Balken aus Kiefernholz. Das Holz ist vor 200 Jahren für das Dach der Ulanenreithalle in Verden/Aller in die vorliegende spezielle Bogenkonstruktion gebracht worden. Auf die Seite gelegt bilden die Dachbalken nun eine begehbare Holzskulptur mit zwei Sitzbänken. Die Skulptur teilt den Gesamtraum der Glashülle in einen 70 qm großen Innenraum und einen Außenraum. Das Holz ist lediglich manuell abgeschliffen, ansonsten weitgehend unbehandelt und weist noch die ursprünglichen schmiedeeisernen Nägel und Schrauben auf.

Altar

Der als Altar dienende Stein aus 200 Millionen Jahre altem Muschelkalkstein ist aus einem Steinbruch bei Würzburg und hat ein Gewicht von 2 Tonnen. Er ist nicht aus dem Steinbruch geschnitten, sondern steht hier weitgehend in der Form, wie ihn der Steinbruch freigegeben hat. Susanne Tunn schließt in ihrer bildhauerischen Bearbeitung des Steins an ihre bisherigen Steinarbeiten an und führt sie fort. Der Respekt vor dem über Millionen Jahre Gewordenen ist Ausgangspunkt der Arbeit und bestimmt die Wahrnehmung. Charakteristisch sind die Komprimiertheit des Objekts, Gleichwertigkeit und Zusammenhang aller sechs Seiten des Steins, ein stellenweise freigelegtes Innen, wodurch das Außen neu fassbar wird. Stein und Holz verbinden sich zu einer ellipsenartigen Gesamtskulptur, in der ein Ort durch den Stein gegeben ist und ein anderer vom Besucher gefunden werden muss. 

Während der Fußboden in seiner Einfachheit den Gesamtraum einheitlich verbindet, unterscheidet das künstliche Licht Innenraum und Außenraum und hält sie gleichwohl in einem Lichtraum zusammen. Ein Gegengewicht zum künstlichen Licht bildet das natürliche Licht, das je nach Sonneneinstrahlung dem Raum eine andere Anmutung verleiht.

Susanne Tunns gesamte Arbeit ist konsequent einfach, elementar und material, zugleich ursprünglich und geistesgegenwärtig, balanciert durch die künstlerische Bearbeitung des Steins und seine Positionierung in Verbindung mit der konstruktiven Neuordnung des Holzes.

Korpus

Der Korpus stammt aus einem sauerländischen Wegkreuz. Das aus Eichenholz gefertigte Werk, dessen Schnitzer unbekannt ist, entstand vermutlich nach 1800 und greift auf Vorbilder des 18. Jahrhunderts zurück. Die Oberfläche wurde mehrfach übermalt, ist jetzt aber stark verwittert. (Leihgabe des Diözesanmuseums Paderborn)

Glashülle - Innenhof mit Wasserumlauf und Zugang zur Kapelle

Harald Klösges, Architekt des Klinikums, TM K-Architekten

Die aus eingefärbtem Glas sowie Stahlträgern bestehende Umhausung des Innenraums hat eine Größe von ca. 12x9x6 m, entspricht der Klinikästhetik und verhält sich zurückhaltend gegenüber dem Innenraum. Der in sich versetzte Zugangsweg, das trennende, verbindende und spiegelnde Medium des Wassers betonen: Kapelle und Klinik sind unterschiedliche Orte in einem Zusammenhang. Der Weg hinein und hinaus gibt die Gelegenheit, den Wechsel bewusst zu vollziehen.

Das Buch zur Kapelle

Susanne Tunn: Kapelle 2004-2008, 56 Seiten, gebunden, mit zahlreichen Abbildungen und Texten u.a. von Jan Hoet, MARTa Herford, Artbook Verlag Kirchberg 2008.
Das Buch ist zum Preis von 10 Euro an der Kasse des Klinikums erhältlich.

© Text: Dr. Jörg Mertin
© Bilder: Peter Hübbe

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