„Hier bestimmst heute alles du!“

Erfahrungsbericht: Zweifache Mutter erlebt Geburt im Hebammenkreißsaal

Mareile Mattlage hat im Mai ihren zweiten Sohn im Krankenhaus Lübbecke entbunden. Über ihre Entbindung im Hebammenkreißsaal hat die zweifache Mutter einen Erfahrungsbericht geschrieben.

„Hier bestimmst heute alles du!“ Das waren die Worte, mit denen mich Linda Van den Bril begrüßte, als ich am 1. Mai gegen 14.30 Uhr den Hebammenkreißsaal in Lübbecke betrat. Ich hatte Wehen, die Geburt meines zweiten Sohnes kündigte sich an. Linda stellte sich mir als meine Hebamme vor. Obwohl wir uns in diesem Moment zum ersten Mal begegneten, brauchte ich ihr meine Wünsche für die Geburt nicht mitzuteilen – die kannte sie bereits.

In intensiver Bewusstseinsarbeit zusammen mit meinem Mann sowie in einem Hypnobirthing-Kurs hatte ich mir vorab erarbeitet, was mir für die Geburt meines zweiten Sohnes wichtig war. Diese Ansprüche hatte ich dann mit Dr. Albert Neff, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Krankenhaus Lübbecke, sowie einer Hebamme besprochen und schriftlich festgelegt. Für meine Geburts-Hebamme Linda genügte somit ein Blick in meine Akte, um sich über meine Ansprüche zu informieren. Diese lauteten: So natürlich wie möglich, ohne Schmerzmittel oder medizinische Eingriffe, intim, intuitiv und aus meiner ureigenen weiblichen Kraft heraus. Das heißt: eigenverantwortlich und selbstbestimmt.

Doch zunächst ein paar Monate zurück: Der hebammengeführte Kreißsaal in der Geburtsklinik am Krankenhaus Lübbecke ist im Oktober 2022 eröffnet worden. In der Frauenklinik am Krankenhaus Bad Oeynhausen gibt es bereits seit Ende 2018 einen Hebammenkreißsaal. Es handelt sich dabei um ein zusätzliches Angebot innerhalb der Klinik, das den ärztlich geleiteten Kreißsaal ergänzen soll. Beim Modell des ärztlich geleiteten Kreißsaals begleiten Hebammen und Ärzt*innen gemeinsam die Frau, im Hebammenkreißsaal sind es ausschließlich Hebammen. Doch ein ärztliches Sicherheitsnetz bleibt vor Ort. 

 

Die Mühlenkreiskliniken haben damit eine Leuchtturm-Funktion, denn in Deutschland gibt es aktuell lediglich etwa 30 Hebammenkreißsäle. In den skandinavischen Ländern, Österreich, der Schweiz oder Großbritannien gibt es das Modell schon länger als in Deutschland. Fast 90 Prozent aller Kinder kommen dort in hebammengeleiteten Kreißsälen zur Welt, in Deutschland sind es weitaus weniger.
Viele Eltern können sich eine Geburt ohne ärztliche Begleitung hierzulande offenbar (noch) nicht vorstellen. Das kann ich nachvollziehen. Denn auch wenn es ein vollkommen natürlicher Prozess ist, so ist eine Geburt dennoch nichts, das man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Man kann vieles planen und vorbereiten, doch genau wissen was auf einen zukommt – das kann man vorher nie. So habe ich es buchstäblich am eigenen Leib bei der Geburt meines ersten Sohnes erlebt.

Nach einer komplikationslosen Schwangerschaft hatte ich mir eine Hausgeburt gewünscht und diese auch versucht durchzuführen. Allerdings musste ich sie wegen zu starker Schmerzen abbrechen und mich ins Krankenhaus nach Lübbecke bringen lassen – und das war ein großes Glück für mich! Denn wie sich bald herausstellte, lag bei mir eine Placenta accreta vor. Das bedeutet, dass die Plazenta mit der Gebärmuttermuskulatur verwachsen war und sich nach der Geburt nicht von allein lösen konnte. Ich musste notoperiert werden. Ich komme aus Stemwede und wäre ich zu Hause gewesen und hätte nun in diesem kritischen Zustand erst noch nach Lübbecke gebracht werden müssen, so wäre ich schlimmstenfalls verblutet.

Als ich drei Jahre später wieder schwanger wurde, bestand mein Wunsch nach Selbstbestimmung nach wie vor, eine Hausgeburt kam wegen meiner Vorgeschichte für mich jedoch nicht infrage. Da las ich von dem neuen Hebammenkreißsaal in Lübbecke – und es fühlte sich sofort optimal für mich an. Hier konnte ich auf natürliche Art und in ungestörter Intimität entbinden und hatte gleichzeitig die Sicherheit eines ärztlich geleiteten Kreißsaals im Hintergrund. Und das zu wissen, war sehr wichtig für mich, um während der Geburt mental in der Entspannung und im Vertrauen bleiben zu können.

Tatsächlich verlief die Geburt dann genau so, wie ich es mir vorgenommen hatte. In einer ruhigen Atmosphäre mit gedämmtem Licht und elektronischen Kerzen wurde ich lediglich von meinem Ehemann und meiner Hebamme Linda Van den Bril begleitet. Beide hielten sich auf meinen Wunsch hin zunächst zurück. Die Geburt dauerte etwa fünf Stunden. Die meiste Zeit davon war ich allein. Ich ging im Zimmer auf und ab, hörte Musik und wendete verschiedene Atem- und Mentaltechniken an. Dazu sang ich Mantren und Lieblingslieder und tanzte ein wenig, um positiv und locker zu bleiben – was mir über einen langen Zeitraum hinweg auch gut gelang.

 

Erst als es nach drei bis vier Stunden in Richtung Presswehen ging und die Schmerzen extrem stark wurden, meldeten sich doch Angst und Negativität in mir. Nun kamen meine Hebamme Linda und mein Mann hinzu, um mich mental zu unterstützen.

Lindas Gespür für meine Bedürfnisse war beeindruckend. Sie fühlte sich hervorragend in mich hinein und wusste genau, was sie sagen und wie sie handeln musste, um mich neu zu motivieren. Man merkte schnell, dass sie viel Erfahrung auf ihrem Gebiet hatte und genau wusste, was sie tat. Zusammen mit der beruhigenden und liebevollen Anwesenheit meines Mannes war dies eine hervorragende Unterstützung.

Und so kam es, dass ich auch auf „den letzten Metern“ stark blieb, keine Betäubungsmittel einnahm, mich den Presswehen stellte und nach fünf Stunden, um 18.59 Uhr, meinen zweiten Sohn Alexander Rama in den Armen halten konnte. Auch eine Placenta accreta lag dieses Mal nicht vor, sodass sich sogar mein Wunsch von einer kleinen Lotusgeburt erfüllen durfte, die auspulsierte Nabelschnur also erst durchgeschnitten wurde, nachdem die Placenta herausgekommen war. Und so war ich wenige Stunden später schon wieder zu Hause und konnte die Nacht zusammen mit meiner Familie im eigenen Bett verbringen. 

Eine durchweg positive Erfahrung also und es ist mir eine Herzensangelegenheit, davon zu berichten. Denn von positiven Geburtserlebnissen zu lesen oder zu hören ist wichtig, um Ängste und negative Glaubenssätze loszulassen und die nötige Gelassenheit und das entsprechende Selbstbewusstsein zu entwickeln, um die Geburt eigenverantwortlich gestalten zu können.

Sich selbst zu fühlen und die eigene Intuition ernst zu nehmen, ist die Voraussetzung, um für sich selbst entscheiden zu können. Auch – oder gerade besonders dann – wenn ungeplante Komplikationen auftreten sollten. Oder wie meine Hebamme Linda es zum Abschied formulierte: „Auch für uns sind selbstbestimmte Geburten das schönste Erlebnis. Doch das funktioniert nur, wenn die Frauen genau wissen, was sie wollen.“

 

Zur Autorin:
Mareile Mattlage arbeitet seit 25 Jahren als freie Journalistin und Autorin in den USA und Deutschland. Vor zehn Jahren ist sie nach einem längeren Auslandsaufenthalt in ihrer Heimatregion – dem Kreis Minden-Lübbecke – sesshaft geworden. Sie arbeitet weiter als freie Journalistin und ist an der Seite ihres Mannes Andreas Mattlage im Lebenszentrum Stemwede als Mindset-Coach für Frauen tätig. Mareile Mattlage ist es ein besonderes Anliegen, Frauen auf ihrem Weg in die persönliche Selbstständigkeit zu unterstützen und ihnen zu privatem und beruflichem Erfolg zu verhelfen.

 

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