Die Diagnose stand für Kirsten Firmer eigentlich schon fest: Lungenkrebs! 40 Jahre hatte sie geraucht und im CT fand man eine Raumforderung, die sich langsam ausbreitete. Die Pneumologen und Chirurgen im Lungenzentrum am Universitätsklinikum Minden hatten Kirsten Firmer bereits gesagt, was vermutlich auf sie zukommt: OP, Chemotherapie, Bestrahlung und so weiter und so weiter. Auch eine Untersuchung im PET-CT, einem besonderen CT-Gerät zur Abbildung des Zellwachstums, mit dessen Hilfe Ärztinnen und Ärzte Tumorgewebe besser entdecken und untersuchen können, untermauerte die niederschmetternde Diagnose. Also entschied sich Kirsten Firmer für eine Lungenoperation kurz vor dem Jahreswechsel. „Das war für mich eine schlimme Diagnose und ich war mir sicher, dass ich eine schwere Zeit vor mir haben werde“, erzählt die Stolzenauerin.
Thoraxchirurg Oberarzt Dr. Ahmad Baderkhan operierte Kirsten Firmer minimalinvasiv – also mit der sogenannten Schlüsselloch-Methode, bei der nur drei kleine Schnitte im Brustkorb notwendig sind. Anstatt sofort einen ganzen Lungenlappen zu entfernen, hat der Operateur den Tumor lokal entfernt und während der Operation einen sogenannten Schnellschnitt angefordert. Dabei wird das Gewebe aus dem OP – während der noch laufenden Narkose – direkt in das Institut für Pathologie im Klinikum gebracht. Dort wird das Gewebe schockgefroren und sofort unter dem Mikroskop von einem Pathologen oder einer Pathologin untersucht. Das Ganze dauert nicht länger als 30 Minuten.
„Der Blick durch das Mikroskop zeigte ganz klar, dass es sich hier zwar um entzündliches Gewebe, aber nicht um Tumorgewebe handelt“, sagt Institutsdirektor Professor Dr. Udo Kellner. Per Telefon informierte Professor Kellner den Operateur im OP-Saal über den erfreulichen Befund. „Üblicherweise entfernt man bösartige Tumore großräumig, um möglichst alle Tumorzellen zu beseitigen. Weil es sich in diesem Fall entgegen aller Wahrscheinlichkeiten und den Ergebnissen unserer Voruntersuchungen gerade nicht um Krebszellen gehandelt hat, konnten wir die weitere Lunge unangetastet lassen“, erklärt Dr. Baderkhan.
Der Patientin hat Oberarzt Baderkhan das gute Ergebnis erst mitgeteilt, als der Abschlussbefund vom Pathologen vorgelegt wurde. „Nachdem ich aufgewacht war, hieß es nur, dass die OP sehr gut verlaufen sei und man nun auf die Pathologie wartet“, so Kirsten Firmer. Als das finale pathologische Ergebnis den Schnellschnitt später bestätigte, konnte Dr. Baderkhan die frohe Nachricht auch der Patientin überbringen: kein Krebs, sondern nur entzündetes Narbengewebe; hervorgerufen vermutlich durch eine vorherige Lungenentzündung. „Das war ein pures Glücksgefühl. Ich hatte mich schon auf die Diagnose Lungenkrebs eingestellt“, erzählt Kirsten Firmer.
Durch das umsichtige operative Vorgehen auf Grundlage der Schnellschnittdiagnostik wurde Kirsten Firmer kaum gesundes Lungengewebe entfernt. „Je mehr gesundes Lungenvolumen vorhanden ist, desto besser ist die Lebensqualität. Gerade Menschen, die viel und lange geraucht haben, können durch Lungenerkrankungen sehr schnell an einem eingeschränkten Lungenvolumen leiden. Die Folge ist Luftnot und eine geringe Leistungsfähigkeit. Im Fall von Frau Firmer konnten wir sehr viel gesundes Lungengewebe retten. Und zusätzlich hat sie das Rauchen vor einiger Zeit aufgegeben, weshalb sich das Lungengewebe langsam erholt“, erklärt Dr. Ryszard Turkiewicz, Direktor der Klinik für Pneumologie am Uni-Klinikum Minden.
Schnellschnitte werden im Universitätsklinikum Minden bei den meisten Tumoroperationen während der OP durchgeführt. „Eine gute und leistungsfähige Pathologie direkt am Standort ist ein wesentliches Qualitätskriterium für ein Krebszentrum, wie wir es in Minden haben. Denn entgegen der landläufigen Meinung sind unsere Patientinnen und Patienten in der Pathologie meistens sehr lebendig. Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig eine schnelle pathologische Befundung vor Ort ist. Kliniken ohne eigene Pathologie hätten entweder ohne Schnellschnitt den ganzen gesunden Lungenlappen entfernt oder hätten die Gewebeprobe per Kurier in die nächste Pathologie bringen lassen – während der laufenden OP. Im ersten Fall hätte man der Patientin unnötigerweise einen gesunden Lungenlappen entfernt. Im zweiten Fall hätte die Patientin lange Zeit auf das Ergebnis des Schnellschnitts gewartet – narkotisiert im OP. „Beide Varianten sind mit unnötigen gesundheitlichen Risiken für die Patientinnen und Patienten verbunden“, erläutert der Direktor der Pathologie, Professor Dr. Kellner.
Kirsten Firmer ist dem gesamten Team am Uni-Klinikum Minden dankbar als sie am 3. Januar nach Hause entlassen wird. „Alle haben sich rührend um mich gekümmert. Die Ärzteschaft, das Pflegeteam und alle anderen. Wirklich großartig“, sagt Kirsten Firmer. Aber auch wenn sie wirklich zufrieden war, möchte sie den nächsten Jahreswechsel doch lieber wieder anders verbringen: Zuhause und mit ganz viel Luft zum Durch- und Aufatmen!